Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehegattenmithaft bei Umschuldungskreditkette zur Finanzierung des Aufwandes gemeinsamer Lebensführung
Leitsatz (amtlich)
Dass mit einem bankinternen Umschuldungskredit überwiegend ein nur von dem einen Ehepartner aufgenommener Kredit abgelöst wird, begründet keine Sittenwidrigkeit der Einbeziehung des anderen Ehegatten als Mitdarlehensnehmer, wenn nach den für die Bank erkennbaren Verhältnissen der Eheleute bereits der Altkredit für gemeinsame Zwecke (wie Gründung des ehelichen Hausstandes, Anschaffung eines Familienfahrzeugs oder sonstigen Aufwand gemeinsamer Lebensführung) verwendet wurde.
Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 23.12.2003; Aktenzeichen 10 O 232/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Teil-Versäumnis- und Schlussurteil der 10. Zivilkammer des LG Aachen vom 23.12.2003 - 10 O 232/03 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 15.363,98 Euro nebst Zinsen p.a. i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.10.1999 zu zahlen.
Die Beklagten haben auch die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die klagende Bank nimmt die beklagten Eheleute als Mitdarlehensnehmer aus einem Kreditvertrag vom 11.1.1996 (über einen Nennbetrag von 55.923,24 DM) nach Kündigung dieses Kredites auf einen Restsaldo (per 11.10.1999) i.H.v. 15.353,98 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.10.1999 in Anspruch. Während der Beklagte zu 1) der Klage nicht entgegen getreten ist, wendet die Beklagte zu 2) die Sittenwidrigkeit ihrer Mitverpflichtung wegen krasser finanzieller Überforderung ein. Mit Urteil vom 23.12.2003, auf das wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und seiner rechtlichen Beurteilung durch die Zivilkammer Bezug genommen wird, hat das LG die Klage gegen die Beklagte zu 2) abgewiesen und bei der Verurteilung des Beklagten zu 1) den Zinsanspruch der Klägerin auf 4 % seit dem 30.4.2000 gekürzt. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch gegen die Beklagte zu 2) in vollem Umfang und gegen den - auch im Berufungsverfahren nicht anwaltlich vertretenen - Beklagten zu 1) hinsichtlich des abgewiesenen Teils des Zinsanspruchs weiter. Sie macht geltend, die Beklagte zu 2) sei echte Mitdarlehensnehmerin nicht nur des streitgegenständlichen, sondern auch der vorausgegangenen Kredite vom 4.10.1995, 10.4.1995 und 4.9.1992 gewesen. Auch die Mittel der diesen gemeinsamen Umschuldungsdarlehen vorausgegangenen, noch allein vom Beklagten zu 1) aufgenommenen Kredite vom 27.1.1992 und 30.5.1990 seien bereits für die gemeinsame Lebensführung der seit Juni 1991 verheirateten und bereits zuvor zusammen lebenden Beklagten bestimmt gewesen und verwendet worden. Hinsichtlich der Verzugszinsen habe das LG verkannt, dass gem. § 284 Abs. 2 S. 2 BGB (in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) eine verzugsbegründende Mahnung entbehrlich gewesen sei und sich die Zinshöhe nach § 11 Abs. 1 VerbrKrG richte.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten - den Beklagten zu 1) im Wege des Versäumnisurteils - als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 15.363,98 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.10.1999 zu zahlen.
Die Beklagte zu 2) beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Angriffen der Berufung entgegen.
Wegen aller Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die Berufung der Klägerin führt zur antragsgemäßen Abänderung des angefochtenen Urteils.
1. Die Zivilkammer verkennt die für die Abgrenzung von Mitdarlehensnehmerschaft und einseitig verpflichtender Mithaftung eines finanziell krass überforderten Ehepartners maßgeblichen Auslegungsgrundsätze: Richtig ist zwar, dass die Bank es nicht in der Hand hat, den bloß Mithaftenden durch willkürliche Bezeichnung als "Mitdarlehensnehmer", "2. Kreditnehmer", "Mitantragsteller" u.ä. im Darlehensvertrag zum gleichberechtigten und gleichverpflichteten Kreditnehmer zu machen, um so der Nichtigkeitsfolge des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen. Das bedeutet indessen keine Abweichung von den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen, zu denen die Berücksichtigung des Wortlauts - als Ausgangspunkt jeder Auslegung - und der Interessenlage der Vertragspartner gehört (in diesem Sinne klarstellend jüngst BGH, Urt. v. 23.3.2004 - XI ZR 114/03, MDR 2004, 820 = BGHReport 2004, 1031 = WM 2004, 1083 = ZIP 2004, 1039). Ob ein einkommens- und vermögensloser Ehepartner ein eigenes Interesse an der Kreditaufnahme hat und als im Wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Verwendung der Kreditvaluta mitentscheiden darf, richtet sich nach den für die finanzierende Bank erkennbaren Verhältnissen auf Seit...