Tenor
Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 28.7.2021 (28 O 391/20) teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Veröffentlichung dreier Bildnisse sowie des Inhaltes eines Briefes und eines Tonband-Mittschnitts in dem Beitrag "Zitat wurde entfernt" abgerufen werden konnte. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der dort gestellten Anträge wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat den Anträgen zu 2) und 3), gerichtet auf Unterlassung der Veröffentlichung von Brief und Tonband-Mitschnitt stattgegeben und die weitergehende Klage, gerichtet auf Unterlassung der Veröffentlichung der Bildnisse, abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, die Veröffentlichung der Bilder sei unter Heranziehung der Maßstäbe des abgestuften Schutzkonzeptes der §§ 22, 23 KUG zulässig gewesen. Zwar ergebe sich dies nicht bereits aus einer Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG, jedoch handele es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Berechtigte Interessen der Klägerin im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG stünden einer Veröffentlichung nicht entgegen. Die Veröffentlichung von Brief und Tonband-Mitschnitt sei dagegen unzulässig.
Gegen dieses Urteil haben die Klägerin Berufung und die Beklagte Anschlussberufung eingelegt. Die Klägerin verfolgt ihren Unterlassungsanspruch bezüglich der Veröffentlichung der Bildnisse weiter, die Beklagte erstrebt die vollständige Klageabweisung.
Die Klägerin macht geltend, das Landgericht habe den Berichtsgegenstand unzutreffend erfasst. Es handele sich bei dem Beitrag der Beklagten nicht um eine Dokumentation über den Entführungsfall, sondern um eine Darstellung des Lebens und Wirkens des Journalisten F.. Selbst wenn man jedoch von einer Darstellung der damaligen Entführungsereignisse ausgehe, fehle es an einem Ereignisbezug zwischen dem Bericht und den Bildnissen sowie an dem erforderlichen Aktualitätsbezug. Das Landgericht habe verkannt, dass die Abbildungsfreiheit durch den Zeitablauf beschränkt werde. Ferner sei zu berücksichtigen, dass früher bereits umfassend, auch unter Verwendung der streitgegenständlichen Bildnisse der Klägerin, über die Entführung berichtet worden sei. Da es seit damals jedoch keine neuen Erkenntnisse über Tat, Täter oder sonstige Umstände gebe, könne infolge des Zeitablaufs nunmehr nicht mehr von der Wahrnehmung öffentlicher Informationsinteressen ausgegangen werden. Jedenfalls aber müsse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zurücktreten. In Ansehung der Umstände, dass in dem streitgegenständlichen Beitrag lediglich veraltete, journalistisch längst aufgearbeitete und hinlänglich bekannte Eckdaten über den Entführungsfall enthalten seien, könne nicht davon gesprochen werden, dass durch die Veröffentlichung einem Informationsanspruch der Öffentlichkeit genüge getan werden.
Im Rahmen der Abwägung habe das Landgericht weiter nicht berücksichtigt, dass die Veröffentlichung der Aufnahmen neben dem Eingriff in das Recht am eigenen Bild auch eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Selbstdefinition ihres sozialen Geltungsbereiches darstelle. Hieraus folge das Recht auf Anonymität sowie das Recht, in selbstgewählter Anonymität zu verbleiben. Diese im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Straftäter entwickelten Grundsätze müssten erst recht für die Klägerin als Opfer einer Straftat gelten. Ihr Anspruch auf Anonymität ergebe sich bereits daraus, dass sie keine prominente Person sei und auch sonst nicht in der Öffentlichkeit stehe. Das Landgericht habe darüber hinaus auch die Rechtsprechung zum Opferschutz ignoriert, dem eine überragende Bedeutung gegenüber dem Interesse der Medien zukomme. Dies müsse erst recht gelten, wenn das Verbrechen bereits N01 her sei und an der bildlichen Identifizierung des damaligen Opfers kein geschütztes Informationsinteresse mehr bestehe. Jedenfalls stünden der Veröffentlichung aber die schutzwürdigen Belange der Klägerin nach § 23 Abs. 2 KUG entgegen, weil die erneute Zuweisung einer Opferrolle zu Destabilisierung ihrer inneren Sicherheit führen könne. Das Landgericht habe fälschlicherweise darauf abgestellt, dass die Klägerin lediglich die abstrakte Gefahr einer Retraumatisierung dargelegt habe und dabei verkannt, dass ein Unterlassungsanspruch nicht voraussetze, dass ein Gesundheitsschaden tatsächlich entstanden sei.
Zur Anschlussberufung der Beklagten macht die Klägerin geltend, weder an der Veröffentlichung des Briefes noch an der des Tonband-Mitschnitts bestehe ein öffentliches Interesse. Gegenstand des Beitrages der ...