Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbeachtliche Leistungsunfähigkeit durch provozierten Verlust der Erwerbsmöglichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Lässt es der Unterhaltsschuldner im Vertrauen darauf, dass er im Rechtsmittelrechtszug ein ihm günstigeres Ergebnis erzielen könne, auf Vollstreckungsmaßnahmen ankommen, ohne ihm zur Verfügung stehende Abwendungsmöglichkeiten zu ergreifen, und provoziert er damit die Kündigung eines Vertrags über freiberufliche Tätigkeit durch seinen Vertragspartner und macht sich dadurch leistungsunfähig, so ist er aus unterhaltsrechtlicher Sicht einkommensmäßig so zu behandeln, als bestünde der gekündigte Vertrag fort. Dieses Verhalten ist nämlich leichtfertig und rechtfertigt es, dem Unterhaltsschuldner weiterhin die bisher erzielten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (fiktiv) zuzurechnen.

 

Normenkette

BGB §§ 1361, 1601, 1603, 1629 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Urteil vom 08.04.2008; Aktenzeichen 45 F 255/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung ihrer Berufung und Klageabweisung im Übrigen das am 8.4.2008 verkündete Urteil des AG - FamG - Bonn - 45 F 255/07 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Monate August 2007 bis Oktober 2007 einen Unterhaltsrückstand auf Kindes- und Trennungsunterhalt von insgesamt 3.252,96 EUR zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin monatlichen Trennungsunterhalt wie folgt zu zahlen:

für November und Dezember 2007 je 1.170 EUR,

für Januar bis Dezember 2008 je 1.193 EUR und

ab Januar 2009 je 1.145 EUR.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt 13/15 der Kosten erster Instanz und 14/15 der Kosten des Berufungsverfahrens. Der Klägerin werden 2/15 der Kosten der ersten Instanz und 1/15 der Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in dem noch verfolgten Umfang ganz überwiegend Erfolg.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung eines Unterhaltsrückstandes für Kindes- und Trennungsunterhalt für die Monate August bis Oktober 2007 i.H.v. insgesamt 3.252,96 EUR statt zuletzt beantragter 3.298,96 EUR - vor teilweiser Berufungsrücknahme im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hatte die Klägerin Zahlung von Unterhaltsrückständen von insgesamt 3.452,96 EUR begehrt - sowie laufender Unterhalt i.H.v. monatlich 1.170 EUR für die Zeit von November 2007 bis Dezember 2007, i.H.v. monatlich 1.193 EUR für die Zeit von Januar 2008 bis Dezember 2008 und i.H.v. monatlich 1.145 EUR ab Januar 2009 statt zuletzt durchgängig beantragter 1.193 EUR monatlich - vor teilweiser Berufungsrücknahme im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hatte die Klägerin Zahlung von monatlichem Trennungsunterhalt ab Januar 2008 i.H.v. 1.421 EUR begehrt - zu.

Dagegen blieb die zulässige Berufung des Beklagten, der sich mit seiner Berufung gegen die erstinstanzlich ausgeurteilte Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt für die am 10.4.1999 geborene gemeinsame Tochter der Parteien M. für die Zeit von November 2007 bis Dezember 2007 von monatlich 340 EUR und ab Januar 2008 von 128 % des Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersstufe abzgl. der Hälfte des jeweiligen Kindergeldbetrages für ein erstes Kind (derzeitiger Zahlbetrag 336 EUR) und gegen die Verurteilung zur Zahlung von monatlichem Trennungsunterhalt für November 2007 bis Dezember 2007 von jeweils 874 EUR, für die Zeit von Januar 2008 bis Juni 2008 von jeweils 1.000 EUR und ab Juli 2008 von jeweils 900 EUR sowie gegen die Verurteilung zur Zahlung von Kindes- und Trennungsunterhaltsrückständen für die Zeit von August 2007 bis Oktober 2007 von 2.495,96 EUR wehrt, erfolglos.

Die Klägerin kann gem. §§ 1629 Abs. 3, 1601 ff. BGB von dem Beklagten Zahlung von Kindesunterhalt jedenfalls in der erstinstanzlich ausgeurteilten Höhe verlangen, nämlich bis Dezember 2007 nach der Einkommensgruppe 10 der Düsseldorfer Tabelle (Stand 1.7.2007) bzw. ab Januar 2008 nach der 8. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (Stand 1.1.2008) jeweils gemäß der 2. Alterstufe für die gemeinsame Tochter der Parteien M..

Der Beklagte ist leistungsfähig gem. § 1603 BGB. Nach Auffassung des Senates ist der Beklagte nämlich so zu behandeln, als verfüge er über ein monatliches bereinigtes Nettoeinkommen im Jahre 2007 von 3.637,66 EUR und ab Januar 2008 von 3.623,66 EUR. Zur Einkommensermittlung hat der Senat insoweit das Dreijahresdurchschnittseinkommen des Beklagten aus den Jahren 2005 bis 2007 zugrunde gelegt, wie es sich aus den vom Beklagten zu den Akten gereichten Einkommenssteuerbescheiden für die entsprechenden Jahre (Blatt 341 ff., 344 ff., 347 ff. [350 f.] GA) ergibt. Dabei hat der Senat bei der Einkommensermittlung nur das Einkommen des Beklagten aus selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit ohne die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die bereits im Jahre 2007 weitgehend entfallen waren, berücksichtigt. Andererseit...

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