Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 20 O 140/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 16.01.2020 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Bonn (Az.: 20 O 140/19) einschließlich des ihm ab dem 14.08.2019 zugrundeliegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszugs, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt, zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 30.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger erwarb am 19.01.2015 von der A GmbH & Co. KG in B den streitgegenständlichen PKW Mercedes-Benz C 220 CDI T als Vorführwagen des Baujahres 2014 mit einer Laufleistung von 1.500 km zum Kaufpreis von 33.000,00 EUR (Anlagen K 1 und K 1a). Das Fahrzeug verfügt über einen Motor des Typs OM 651 gemäß Euro-5-Norm, der mit einer Software ausgestattet ist, die bei bestimmten thermischen Gegebenheiten eine Reduzierung der Abgasrückführung bewirkt.
Im März 2017 leitete die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Verantwortliche der Beklagten ein Ermittlungsverfahren wegen gewerbsmäßigen Betruges und strafbarer Werbung ein, das sich auf Abschaltvorrichtungen in Motoren der Typen OM 642 und OM 651 bezieht (Az.: 260 Js 28161/17). Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) rief im Mai 2018 mehrere Fahrzeuge der Beklagten - u.a. des Models C 220 aus dem Baujahr 2014 - mit Motoren des Typs OM 651 zurück (Anlagen K 6 und K 7).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.05.2019 verlangte der Kläger von der Beklagten die Erstattung des Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs (Anlage K 40). Dies wies die Beklagte mit E-Mail vom 09.05.2019, 15:35 Uhr, zurück. Sie bot dem Kläger jedoch - entsprechend den Beschlüssen des sogenannten Dieselgipfels der Bundesregierung aus dem Sommer 2017 - als "freiwillige Kundendienstmaßnahme" ein Software-Update an (Anlage K 41). Ein behördlicher Rückruf des in Rede stehenden Wagens erfolgte nicht.
Bei Anhängigkeit der Klage wies das streitgegenständliche Fahrzeug eine Laufleistung von 85.800 km auf. Am Tag vor der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht betrug die Laufleistung 97.800 km.
Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe das streitgegenständliche Fahrzeug nicht nur mit dem sogenannten Thermofenster (bzw. thermisches Fenster), sondern auch mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung - einem sogenannten Defeat Device - und einem sogenannten Hot Restart ausgestattet. Bei dem Defeat Device handele es sich um eine Software der Motorsteuerung, die erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im realen Fahrbetrieb befinde. Auf dem Prüfstand erfolge dann eine relativ hohe Abgasrückführung, so dass die gesetzlichen Stickoxidemissionsgrenzen eingehalten würden. Im Normalbetrieb sei die Abgasrückführung geringer, so dass es zu einem höheren Stickoxidausstoß komme. Der Hot Restart bewirke, dass Prüfzyklen mit Warmstart höhere Stickoxidemissionen ausweisen würden als Prüfzyklen mit Kaltstart. Dies lasse einen Rückschluss auf den Einsatz effektiverer Motor- bzw. Abgaskalibrierungen beim Kaltstart zu, weil eigentlich ein aufgewärmter Motor Vorteile bei der Abgasnachbehandlung haben müsste. Thermofenster, Defeat Device und Hot Restart seien für eine Überschreitung der gesetzlichen Stickoxidmissionsgrenzen des streitgegenständlichen Fahrzeuges im Straßenbetrieb verantwortlich. Zur Begründung der Betroffenheit des Motors des streitgegenständlichen Fahrzeuges hat der Kläger weiter Bezug genommen auf Testreihen der Fa. Emissions Analytics Limited im Straßenbetrieb (nach denen auch Fahrzeuge der C-Klasse der Beklagten mit Euro-5-Norm aus dem Baujahr 2014 gesetzliche Stickoxidgrenzwerte überschreiten würden), Messungen der Deutschen Umwelthilfe e.V. im Straßenbetrieb (nach denen auch Fahrzeuge der C-Klasse der Beklagten mit Euro-6-Norm gesetzliche Stickoxidgrenzwerte überschreiten würden), Testergebnisse des Kraftfahrt-Bundesamtes (nach denen auch Fahrzeuge der B-Klasse und der Sprinter-Reihe der Beklagten mit einem Motor des Typs OM 651 gesetzliche Stickoxidgrenzwerte überschreiten würden) und Pressberichte zur Verstrickung der Beklagten in den sogenannten Abgasskandal von Spiegel Online vom 18.08.2018 (Anlage K 29) und FAZ.net vom 26.09.2015 (Anlage K 30). Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass die Beklagte die skizzierte Manipulationssoftware in sämtlichen Motorengruppen OM 607, 622, 626, 642 und 651 eingesetzt habe. Der Kläger war zudem der Ansicht, die in Rede stehende Motorsteuerungssoftware verstoße gegen Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) 715/2007, so dass die Beklagte nach den §§ 826, 31 BGB, den §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB, den §§ 823 Abs. 2 BGB, 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV, den § 823 Abs. 2 BGB, Art. 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) 715/2007 und den §§ 311 Abs. ...