Entscheidungsstichwort (Thema)
Architektenhaftung, Statikerhaftung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Planung eines Architekten ist fehlerhaft, wenn ein Tiefgaragenstellplatz mit einem Mittelklassefahrzeug nicht ohne Inanspruchnahme eines anderen Stellplatzes befahrbar ist und der nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften (§ 119 SBauVO NRW) vorgeschriebene Einfahrtsradius nicht eingehalten ist.
2. Auch wenn die mangelhafte Planung auf einer Vorgabe des Statikers beruht (Versetzen einer tragenden Stütze in der Tiefgarage), ist der Architekt von seiner Haftung nur frei, wenn er seinen Auftraggeber auf die fehlende Nutzbarkeit des Stellplatzes hinweist und dieser das Risiko der Planung übernimmt.
3. Die Leistung eines Tragwerksplaners ist mangelhaft, wenn er das Versetzen einer tragenden Stütze aus statischen Gründen als "zwingend notwendig" bezeichnet, eine statische Notwendigkeit aber tatsächlich nicht besteht und durch das Versetzen der Stütze ein Tiefgaragenstellplatz nicht mehr den Anforderungen an die öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht und mit einem Mittelklassefahrzeug nicht ohne Inanspruchnahme eines anderen Stellplatzes befahrbar ist.
4. Zur Beratung in statisch-konstruktiver Hinsicht gehört auch die Berücksichtigung von Folgen der Tragwerksplanung auf die Wirtschaftlichkeit und Gebrauchsfähigkeit des Bauwerks. Der Tragwerksplaner muss zwar nicht von sich aus die Auswirkungen einer aus statischer Sicht erteilten Empfehlung auf die Nutzbarkeit der Tiefgaragenstellplätze erkennen und berücksichtigen. Wird er aber auf die Einschränkung der Nutzbarkeit des Stellplatzes hingewiesen, muss er überprüfen und zutreffend darüber beraten, ob die von ihm vorgeschlagene Lage der Stütze tatsächlich aus statischer Sicht zwingend ist.
Normenkette
BGB § 634 Nr. 4, §§ 280-281; SBauVO NRW §§ 115 ff.
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 08.01.2015; Aktenzeichen 18 O 357/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 8.1.2015 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des LG Bonn - 18 O 357/12 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelfer tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin bzw. die Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 65.000 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin errichtete als Bauträgerin die Wohnungseigentumsanlage Cstr. 35-37 in C2, die aus 12 Wohnungen und 11 Tiefgaragenstellplätzen besteht. Der Beklagte zu 2) war von der Klägerin als Architekt beauftragt, der Beklagte zu 1) war an dem Bauvorhaben als Tragwerksplaner tätig.
Mit Verträgen vom 25.6.2009 erwarben die Streithelfer die Wohnung 11 mit 2 Stellplätzen, sowie die Wohnungen 8, 9, 10 und 12 nebst 3 Stellplätzen. Sie verfügen über insgesamt 4.201/10.000 Miteigentumsanteile. Die Streithelfer nutzen die Wohnung 11 selbst, die übrigen Wohnungen sind vermietet.
Die Tragwerksplanung des Beklagten zu 1) sah gegenüber der ursprünglichen Planung des Beklagten zu 2) eine abweichende Positionierung von Stützpfeilern im Bereich der Tiefgarage vor. In einer E-Mail des Beklagten zu 1) vom 20.11.2009 (GA 45) an den Zeugen C3, einen Mitarbeiter des Beklagten zu 2), heißt es hierzu: "Zum anderen ist die in Punkt B dargestellte vorgezogene Abstützung ZWINGEND notwendig - andernfalls ist der Unterzug statisch nicht nachzuweisen." Entgegen der ursprünglichen Planung ragt nunmehr eine Stütze in den von den Streithelfern erworbenen Stellplatz 11 hinein. Die Streithelfer machen geltend, dass der Stellplatz aufgrund der Stütze nicht nutzbar sei. Er sei mit einem Mittelklassewagen nicht ohne Inanspruchnahme des gegenüber liegenden Stellplatzes 7 zu befahren. Sie verlangen in einem Parallelverfahren 13 O 335/12 LG Bonn = 16 U 201/13 OLG Köln von der Klägerin die Zahlung eines Kostenvorschusses für das Versetzen der Stütze in Höhe von 135.065 EUR.
Die Klägerin nimmt die Beklagten in Form eines Feststellungsantrages auf Freistellung eventueller Ansprüche der Streithelfer wegen des Stellplatzes 11 in Anspruch.
Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr jeglichen Aufwand und Schaden zu ersetzen, der gegen sie geltend gemacht wird, weil der Stützpfeiler in der Tiefgarage des Hauses Cstr. 35-37 in C2 gegenüber der Baugenehmigungsplanung des Beklagten zu 2) um etwa 1,50 m in die Fahrbahngasse hinein verschoben worden ist.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Das LG hat nach Vernehmung von Zeugen zu der Frage, ob der Beklagte zu 2) die Klägerin auf die Folgen des Versetzens des Pfeilers für den Stellplatz Nr. 11 aufgeklärt hat, und Einholung von Sachverständigengutachten zur Befahrbarkeit des Stellplatzes,...