Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtteilsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erforderlich ist die Angabe eines zutreffenden Kernsachverhalts. Hierbei geht es nicht darum, dass der Erblasser zum Ausdruck bringt, unter welchen der im Gesetz angeführten Entziehungstatbestände er seinen Entziehungsgrund einordnet. Vielmehr kommt es auf eine (gewisse) Konkretisierung des Grundes oder der Gründe an, auf die er die Entziehung stützen will.

2. Der Erblasser muss nicht notwendig den Sachverhalt für die einzelnen Tatbestandsmerkmale genau darlegen. Er muss aber mit hinreichender Bestimmtheit ersichtlich machen, auf welche Verfehlungen die Entziehung gestützt wird. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 2336 Abs. 2 BGB. Die Wiederholung des Gesetzeswortlauts ist nicht ausreichend.

 

Normenkette

BGB §§ 2303, 2333, 2335-2336

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 19.12.2000; Aktenzeichen 10 0 370/00)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 19.12.2000 verkündete Teil-Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 10 0 370/00 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den

Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht dem Klageantrag auf Erteilung von Auskunft als erste Stufe der erhobenen Stufenklage stattgegeben. Den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, auf die Bezug genommen wird, ist zu folgen.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagten gemäß § 2314 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses in dem vom Landgericht zugesprochenen Umfang zu.

Nach dieser Vorschrift kann der Pflichtteilsberechtigte, wenn er nicht Erbe ist, von den Erben Auskunft verlangen.

So liegt es hier.

a) Auf Grund der letztwilligen Verfügung der Mutter der Parteien vom 30.09.1987, die sie in Ergänzung zum Erbvertrag vom 13.11.1957 getroffen hat („…Meinem Sohn W. entziehe ich von allem, was ich besitze, alles…”), sind beim Tod der Erblasserin die Beklagten Erben geworden; der Kläger ist nicht Erbe.

Die Abänderung des zwischen der Mutter und dem bereits im Oktober 1967 verstorbenen Vater der Parteien geschlossenen Ehe- und Erbvertrages vom 13.11.1957 durch die letztwillige Verfügung der Mutter vom 30.09.1987 war rechtlich zulässig. Insoweit lag eine Befreiung von der erbvertraglichen Bindung vor (vgl. Palandt-Edenhofer, BGB, 60. Aufl., § 2289, Rn 3, 8 mit weiteren Nachweisen). Die Eheleute hatten nämlich im Erbvertrag verfügt, dass die Erbeinsetzung der Kinder als einseitige letztwillige Verfügung des Überlebenden gelten sollte, und zwar ohne vertragliche Bindung.

b) Der Kläger ist nach § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB pflichtteilsberechtigt. Er ist als Abkömmling der Erblasserin durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen worden.

Die in der letzwilligen Verfügung der Erblasserin vom 30.09.1987 enthaltene Entziehung des Pflichtteils gegenüber dem Kläger (… Meinem Sohn W. entziehe ich den Pflichtteil wegen seines Lebenswandels, seiner Lebensführung und insbesondere des Verhaltens mir gegenüber, mit dem er mich als seine Mutter psychisch gequält hat …”) ist unwirksam. Die Pflichtteilsentziehung ist nicht in der durch § 2336 Abs. 2 BGB vorgeschriebenen Form erfolgt. Nach dieser Vorschrift muss der Grund der Entziehung zur Zeit der Testamentserrichtung bestehen und in der Verfügung angegeben werden. Daran fehlt es hier.

Weder der hier in erster Linie in Betracht kommende Pflichtteilsentziehungsgrund des § 2333 Nr. 5 BGB noch die Gründe nach den Nummern 2 und 3 der Vorschrift, auf die sich die Beklagten ebenfalls berufen, sind formgerecht angegeben worden.

Erforderlich ist die Angabe eines zutreffenden Kernsachverhalts. Hierbei geht es nicht darum, dass der Erblasser zum Ausdruck bringt, unter welchen der im Gesetz angeführten Entziehungstatbestände er seinen Entziehungsgrund einordnet. Vielmehr kommt es auf eine (gewisse) Konkretisierung des Grundes oder der Gründe an, auf die er die Entziehung stützen will (vgl. BGHZ 94, 36 (40), offenlassend für § 2333 Nr. 5 BGB; OLG Köln, ZEV 1998, 144; Palandt-Edenhofer, BGB, 60. Aufl, § 2336, Rn 2; Soergel-Dieckmann, BGB, 12. Aufl., § 2336, Rn 6, 7; Münchener Kommentar – Frank, BGB, 3. Aufl., 2336, Rn 7; Staudinger-Olshausen, BGB, 13. Bearbeitung, § 2336, Rn 11, 12). Der Erblasser muss nicht notwendig den Sachverhalt für die einzelnen Tatbestandsmerkmale genau darlegen. Er muss aber mit hinreichender Bestimmtheit ersichtlich machen, auf welche Verfehlungen die Entziehung gestützt wird. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 2336 Abs. 2 BGB. Die Wiederholung des Gesetzeswortlauts ist nicht ausreichend. Der Formzwang soll nicht nur spätere Beweisbarkeit der Motivation des Erblassers bei der Entziehungsentscheidung sichern, sondern darüber hinaus den Erblasser wegen der Folgen der Pflichtteilsentziehung zu...

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