Entscheidungsstichwort (Thema)

"Bargeldverlust nach Verkehrsunfall" Voraussetzungen des Anscheinsbeweises

 

Leitsatz (amtlich)

Wird der Verlust eines Bargeldbetrages, der in einem Pkw während einer Unfallfahrt mitgeführt worden war, erst mehrere Tage nach dem Unfall durch den Kfz-Fahrer nach zwischenzeitlichem Krankenhausaufenthalt entdeckt, so spricht kein Anscheinsbeweis dafür, dass der Geldbetrag bei dem Unfallgeschehen abhanden gekommen ist.

 

Normenkette

StVG § 2 Abs. 1; PflVersG § 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 02.07.2004; Aktenzeichen 28 O 549/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2.7.2004 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des LG Köln - 28 O 549/03 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin handelt mit Kraftfahrzeugen. Neben der Zeugin T. ist auch ihr Ehemann, der Zeuge Q., gelegentlich für sie tätig. Vor gut zwei Jahren verursachte ein Versicherungsnehmer der Beklagten auf der Bundesautobahn A 7 einen Unfall, bei dem ein von dem Zeugen Q. gesteuertes Fahrzeug schwer beschädigt und der Zeuge verletzt wurde. Zwischen den Parteien steht die alleinige Haftung der Beklagten für diesen Unfall außer Streit.

Mit der Behauptung, der Zeuge Q. habe zum Unfallzeitpunkt einen Bargeldbetrag von 42.000 EUR mit sich geführt, der ihm anlässlich des Unfalls abhanden gekommen sei, hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das LG hat die Zeugen T. und Q. zu den Behauptungen der Klägerin als Zeugen vernommen, der Zeuge Q. habe am 17.2.2003 einen Bargeldbetrag i.H.v. 42.000 EUR mit sich geführt und dieses Geld sei bei dem Unfall am 17.2.2002 verloren gegangen. Anschließend hat es die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Den Zahlungsanspruch hat es auf § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVersG gestützt. Zur Begründung seiner Entscheidung, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 95 ff. d.A.), hat es im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund der glaubhaften Bekundungen der vernommenen Zeugen stehe fest, dass der Zeuge Q. den Bargeldbetrag wie von der Klägerin behauptet, mit sich geführt habe. Wenn auch aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht feststehe, dass der Verlust des Geldbetrages durch den Unfall kausal herbeigeführt worden sei, könne sich die Klägerin mit Erfolg auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises berufen.

Gegen diese Beurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Änderung der angefochtenen Entscheidung und Abweisung der Klage, weil die Grundsätze des Anscheinbeweises unter den im Streitfall obwaltenden Umständen nicht zugunsten der Klägerin streiten und sie deshalb für ihre Behauptung, ihr seien bei dem Unfall 42.000 EUR abhanden gekommen, beweisfällig geblieben ist.

Im Ausgangspunkt teilt der Senat die Auffassung des LG, dass es der Klägerin nicht gelungen ist, zu beweisen, dass der Unfall vom 17.2.2003 in adäquat kausaler Weise den Verlust des Geldbetrages i.H.v. 42.000 EUR zur Folge hatte. Denn weder die Zeugin T. noch der Zeuge Q. waren in der Lage, den Verlust des Geldes anlässlich des Unfalls vom 17.2.2003 als richtig zu bestätigen. Hat die Klägerin damit aus den vom LG genannten und vom Senat in Bezug genommenen Gründen den ihr grundsätzlich obliegenden Vollbeweis nicht geführt, wäre eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage allenfalls dann angezeigt, wenn der Klägerin eine Beweiserleichterung, hier in Form des Anscheinbeweises, zugute käme. Das ist jedoch entgegen der Auffassung des LG nicht der Fall. Nach der Rechtsprechung und der einhelligen Auffassung im juristischen Schrifttum (vgl. die Nachweise bei Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, Vorb. § 249 Rz. 163) wird die dem Geschädigten obliegende Beweisführung im Einzelfall durch die von der Rechtsprechung herausgebildeten Grundsätze des Anscheinbeweises erleichtert. Steht danach ein Sachverhalt fest, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten Geschehensablauf hinweist, so ist diese Ursache oder dieser Ablauf, wenn der Fall das Gepräge des Üblichen und Gewöhnlichen trägt, als bewiesen anzusehen. Der Anscheinsbeweis bedeutet dabei nicht, ...

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