Leitsatz (amtlich)
1. Bösgläubigkeit beim Eigenbesitzerwerb ist in aller Regel schon dann gegeben, wenn der Erwerber sich beim Kfz-Kauf nicht aufgrund der Eintragung im Kfz-Brief davon überzeugt, dass der Veräußerer verfügungsbefugt ist, sofern sich nicht die sich aufdrängenden Zweifel an der Verfügungsbefugnis des Veräußerers durch besondere Umstände ausräumen lassen (Palandt/Bassenge, BGB 62. Aufl. 2003, § 932 Rz. 13a).
2. Mit der Sicherstellung und Beschlagnahme eines Kfz durch die Polizei (§ 94, 111c Abs. 1 StPO) tritt auf Seiten des Eigenbesitzers kein Besitzverlust ein. Die Inbesitznahme durch die Polizeibehörde führt nämlich – ähnlich wie die Inbesitznahme des Gerichtsvollziehers in der Zwangsvollstreckung – nicht zum Besitzverlust des ursprünglichen unmittelbaren Besitzers. Vielmehr wird die beschlagnahmende Stelle unmittelbarer Besitzer. Der ursprüngliche unmittelbare Besitzer wird mittelbarer Besitzer (BGH NJW 1993, 935 ff., m.w.N.).
3. Verweigert der unrechtmäßige Besitzer ernsthaft die Zustimmung in die Herausgabe eines beschlagnahmten Kfz an den Eigentümer und zwingt diesen dazu, die Zustimmung zur Herausgabe im Zivilrechtswege zu erstreiten, so gerät der unrechtmäßige Besitzer spätestens mit der ernsthaften Verweigerung der Zustimmung in die Herausgabe im Schuldnerverzug.
4. Glaubt der unrechtmäßige Besitzer, nicht zur Herausgabe verpflichtet zu sein, muss er für diesen Rechtsirrtum einstehen, wenn er fahrlässig gehandelt hat.
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 06.03.2003; Aktenzeichen 2 O 192/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels i.Ü. das am 6.3.2003 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Köln – 2 O 192/01 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.414 Euro nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (11.4.2001) zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Beklagten gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 1/10 und der Beklagte zu 9/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufungen der Parteien sind zulässig, insb. frist- und formgerecht eingelegt. Allerdings hat nur die Berufung des Klägers i.H.v. 4.653,02 Euro Erfolg. In Höhe von 766,67 Euro musste sie erfolglos bleiben. Die Berufung des Beklagten ist in vollem Umfang unbegründet.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Schadenersatzanspruch gem. §§ 990 Abs. 2, Abs. 1; 989 BGB wegen des in der Zeit von Frühjahr 1997 bis Februar 1999 eingetretenen Wertverlustes an seinem Pkw C Coupé Kfz-Ident-Nr. …1, Erstzulassung 19.1.1991 i.H.v. insgesamt 7.414 Euro zu.
Zwischen den Parteien bestand seit dem Ankauf des vorgenannten Pkw und dessen Besitzerwerb durch den Beklagten am 1.2.1997 bis zur Herausgabe des Pkw an den Kläger durch die Staatsanwaltschaft Köln am 19.2.1999 eine Vindikationslage. Der Beklagte hatte nämlich mit Übergabe des gekauften Pkw an ihn am 1.2.1997 – wie zwischenzeitlich durch rechtskräftiges Feststellungsurteil der 2. Zivilkammer des LG Köln vom 12.8.1999 feststeht (vgl. Bl. 112 – 118 BA 2 O 350/97 LG Köln) – kein Eigentum erworben. Vielmehr blieb der Kläger Eigentümer des Pkw. Der Beklagte war unrechtmäßiger Dritter, da er kein Recht zum Besitz hatte.
Der Beklagte war beim Besitzerwerb bösgläubig. Denn er kannte bei Besitzerwerb sein fehlendes Besitzrecht grob fahrlässig nicht.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Für den Besitzerwerber muss bei nur durchschnittlichem Merk- und Erkenntnisvermögen ohne besondere Aufmerksamkeit und besonders gründliche Überlegungen aufgrund der Gesamtumstände und der Verkäuferperson erkennbar gewesen sei, dass der Veräußerer nicht Eigentümer und nicht rechtmäßiger Besitzer war. Dies bestimmt sich nach objektiven Kriterien, so dass die persönlichen Verhältnisse des Erwerbers den Maßstab nicht mindern können. Umstände des Einzelfalles – so Art, Gegenstand und Umstände des Geschäfts sowie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten – sind dafür maßgebend, ob Bösgläubigkeit aufgrund konkreter Verdachtsgründe wegen unterlassener Nachforschungen anzunehmen ist (Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl. 2003, § 932 Rz. 10, m.w.N.).
Unter Beachtung dieser Voraussetzungen war der Beklagte bösgläubig. Die gesamten Umstände im Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrages mussten den Beklagten derart misstrauisch machen, dass er ohne Rückfrage bei dem noch im Kfz-Brief eingetragenen Eigentümer L. nicht kaufen durfte. Bösgläubigkeit ist nämlich in aller Regel schon dann gegeben, wenn der Erwerber sich beim Kfz-Kauf nicht aufgrund der Eintragung im Kfz-Brief davon überzeugt, dass der Veräußerer verfügungsbefugt ist, sofern sich nicht die sich aufdrängenden Zweifel an der Verfügungsbefugnis des Veräußerers durch besondere Umstände ausräumen lassen (Pala...