Leitsatz (amtlich)
1. Das Risiko, dass der Gläubiger infolge der Zahlungsverzögerung des Schuldners selbst in Zahlungsverzug gerät und zahlungsunfähig wird und dass infolge dessen gegen ihn Insolvenzantrag gestellt und das Insolvenzverfahren eröffnet wird, gehört zu den typischen Gefahren, die der Schuldnerverzug herbeiführen kann und ist daher vom Schutzzweck des § 286 BGB a.F. bzw. des § 280 Abs. 2 BGB n.F. umfasst.
2. Es gehört nicht zu den aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB folgenden Obliegenheiten des Gläubigers, Rücklagen zu bilden oder sonstige Vorkehrungen für den Fall zu treffen, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit nicht pünktlich begleicht.
3. Hat der Gläubiger den Schuldner nicht auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam gemacht, so wirkt sich dies nicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB zum Nachteil des Gläubigers aus, wenn der Schuldner die Warnung unbeachtet gelassen hätte. Dies ist regelmäßig jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Schuldner seine Leistungspflicht ernsthaft und endgültig, insbesondere noch in einem vom Gläubiger gegen ihn wegen des Leistungsanspruchs geführten Prozess bestritten hat.
4. § 254 BGB beruht auf dem Rechtsgedanken, dass derjenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Kürzung seines Schadensersatzanspruchs hinnehmen muss. Einem Unternehmer obliegt es daher regelmäßig nicht, seine Schuldner auf eine bei ihm bestehende akute Insolvenzgefahr aufmerksam zu machen, weil er dadurch diese Gefahr vergrößern würde.
Normenkette
BGB §§ 254, 286
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 23.03.2006; Aktenzeichen 2 O 131/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 23.3.2006 verkündete Teilurteil der 2. Zivilkammer des LG Köln - 2 O 131/05 - abgeändert:
1. Durch Teilversäumnisurteil wird festgestellt, dass die Beklagte zu 4) als Gesamtschuldnerin mit den Beklagten zu 2) und zu 3) verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu erstatten, der diesem aus der Durchführung des Insolvenzverfahrens 98 IN 124/01 AG Bonn entstanden ist und noch entstehen wird.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) und zu 3) als Gesamtschuldner mit der durch Teilversäumnisurteil gem. Ziff. 1 verurteilten Beklagten zu 4) verpflichtet sind, dem Kläger den Schaden zu erstatten, der diesem aus der Durchführung des Insolvenzverfahrens 98 IN 124/01 AG Bonn entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten zu 2) bis 4) auferlegt. Die Entscheidung über die Kosten des ersten Rechtszuges bleibt dem LG vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten zu 2) und zu 3) wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger begehrt mit der Klage festzustellen, dass die Beklagten ihm aufgrund Zahlungsverzugs mit Werklohnforderungen auf Schadensersatz wegen eines Insolvenzschadens haften.
Über das Vermögen des Klägers wurde durch Beschluss des AG Bonn vom 19.11.2001 - 98 IN 124/01 - (Bl. 4) das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt P zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter hat die Klageforderung freigegeben.
Mit Schriftsatz vom 17.7.2001 (Bl. 162) beantragte die B S beim AG Bonn, über das Vermögen des Klägers wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren zu eröffnen, weil dieser aus der Zeit vom 01.03. bis zum 31.5.2000 Gesamtsozialversicherungsbeiträge i.H.v. 30.177,33 DM schulde. Diese Angaben berichtigte die B ggü. dem AG Bonn im Schreiben vom 3.9.2001 (Bl. 231) dahingehend, dass das Antragsschreiben vom 17.7.2001 anstatt der zutreffenden Jahreszahl 2001 infolge eines Schreibfehlers irrtümlich das Jahr 2000 nenne.
Die Beklagte zu 2) wurde durch Urteil des LG Köln vom 5.3.2003 - 27 O 236/01 - (Bl. 60 ff.) verurteilt, 9.004,41 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.9.2000 an den Insolvenzverwalter P zu zahlen. In einem weiteren Rechtsstreit (27 O 11/05 LG Köln) nahm der Insolvenzverwalter die Beklagte zu 2) auf Zahlung eines restlichen Werklohns von 7.486,47 EUR in Anspruch (Bl. 12 ff.). Das Verfahren wurde durch Prozessvergleich vom 8.11.2005 (Bl. 197 ff.) beendet, in dem sich die Beklagte zu 2) verpflichtete, an den Insolvenzverwalter 4.250 EUR zu zahlen.
Der Beklagte zu 3) wurde durch Urteil des LG Bonn vom 1.12.2003 - 13 O 135/03 - (Bl. 35 ff.) verurteilt, an den Insolvenzverwalter 10.549,60 EUR zzgl. 5 % Zinsen seit dem 19.4.1999 zu zahlen.
Die Beklagte zu 4) wurde durch Urteil des LG Köln vom 8.2.2002 - 17 O 258/01 - (Bl. 6 ff.) verurteilt, an den Insolvenzverwalter 18.088,06 EUR zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 21.5.2001 zu zahlen.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und hinsichtlich der Antragstellung wird au...