Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Sachverständigen in Kindschaftssachen

 

Leitsatz (amtlich)

Nach § 839a Abs. 1 BGB haftet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger dann, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten eingereicht hat, auf Schadensersatz bezüglich des Schadens, der einem Verfahrensbeteiligten durch die gerichtliche Entscheidung entstanden ist, soweit diese auf dem Gutachten beruht.

Wegen des auch bei der Sachverständigenhaftung geltenden Vorrangs des Primärschutzes (§ 839a Abs. 2 i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB) setzt die Inanspruchnahme voraus, dass durch Einlegung von Rechtsmitteln auf eine Korrektur des vermeintlich unrichtigen Sachverständigengutachtens im Hauptprozess hinzuwirken ist. Als "Rechtsmittel" im Sinne der Norm ist auch der "Antrag auf Anhörung desSachverständigen" zu verstehen (BGH FamRZ 2007, 1632 bis 1634).

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, § 839 Abs. 3, § 839a Abs. 1-2; GG Art. 34

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 29.07.2011; Aktenzeichen 3 O 340/08)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 29.7.2011 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landberichts Bonn - 3 O 340/08 - wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Bezüglich des Tatbestandes verweist der Senat zunächst gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils.

Das LG hat die auf Zahlung von materiellem und immateriellem Schadensersatz gegen die Beklagte als Sachverständige in einem Umgangsrechtsverfahren gerichtete Klage wegen eines angeblich dort falsch erstatteten Sachverständigengutachtens betreffend die Kläger zu 3 bis 5 als unbegründet abgewiesen. Es hat ausgeführt, den Klägern stünden weder Schadensersatz- noch Schmerzensgeldansprüche aus § 839a BGB oder § 823 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte im Zusammenhang mit der Erstellung ihres Gutachtens vom 25.1.2008 im Umgangsverfahren vor dem Familiengericht Brühl zu Aktenzeichen 32 F 73/07 zu. Es sei schon nicht feststellbar, dass die Beklagte ein unrichtiges Gutachten erstellt habe. Jedenfalls wäre ein solches vermeintlich falsches Gutachten nicht kausal für den geltend gemachten Schaden geworden. So habe sich das maßgeblich entscheidende OLG Köln in seinem Beschl. v. 25.11.2008 - 4 UF 124/08 - nicht allein auf das Gutachten der Beklagten gestützt, sondern bei seiner Entscheidung in Kenntnis der von der Klägerin zu 1 im Umgangsrechtsverfahren eingeführten Ausführungen der Privatgutachterin L. vor allem die Angaben der Kinder vor dem Amtsrichter und bei der Sachverständigen berücksichtigt. Das OLG habe auch die in den Schriftsätzen der Klägerin zu 1 dargestellten Gewalttätigkeiten des leiblichen Vaters ausreichend gewürdigt. Schließlich könne nicht festgestellt werden, dass die Sachverständige vorsätzlich oder grobfahrlässig ein falsches Gutachten erstellt habe. Für eine Rechtsgutverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB außerhalb des Schutzbereichs des § 839a BGB ergäben sich keine konkreten Anhaltspunkte.

Gegen das den Klägern am 6.8.2011 zugestellte Urteil der 3. Zivilkammer des LG Bonn vom 29.7.2011 - 3 O 340/08 - haben diese durch bei Gericht am 1.9.2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit bei Gericht am 16.9.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet haben.

Die Kläger wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Fälschlicherweise sei das LG davon ausgegangen, dass der maßgebliche OLG-Beschluss nicht auf dem falschen Gutachten beruhe. So habe das OLG dort selbst ausgeführt, dass das Gutachten der Beklagten keineswegs unbrauchbar gewesen sei. Das LG habe daher nicht dahinstehen lassen dürfen, inwieweit die von den Klägern erhobenen methodenkritischen Vorwürfe zutreffend seien. Auch habe sich das LG nicht mit der von ihm zutreffend wiedergegebenen Auffassung der Kläger auseinandergesetzt, wonach der Beklagten aufgrund ihrer mangelnden fachlichen Qualifikation auch ein grob fahrlässiges Übernahmeverschulden vorzuwerfen sei. Ebenso vernachlässigt habe das LG den erhobenen Vorwurf der groben Fahrlässigkeit bzw. des Vorsatzes im Zusammenhang mit dem Explorationsverhalten der Beklagten gegenüber den Kindern im Zusammenhang mit den Vater-Kind-Kontakten. So habe die Beklagte bei den zahlreich durchgeführten Terminen deutlich die Aufgabenstellung des Gerichts verlassen und unnötige gesundheitliche Beeinträchtigungen der Kinder verursacht. Ihre mangelnde fachliche Qualifikation habe die Beklagte auch dadurch unter Beweis gestellt, dass sie unkritisch den gerichtlichen Fragenkatalog "abgearbeitet" habe, ohne deren psychologischen Sinngehalt zu hinterfragen. So hätte jedenfalls der zweite Vater-Kind-Kontakt unterbleiben müssen.

Schmerzensgelderhöhend müsse sich insbesondere auc...

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