Entscheidungsstichwort (Thema)
"Prinzip der häppchenweisen Abmahnung"
Leitsatz (amtlich)
1.) Die Nennung des Namens einer abmahnenden Anwaltskanzlei sowie die Äußerung in einem You-Tube-Video, dass die genannte Kanzlei das "Prinzip der häppchenweisen Abmahnung" beim illegalen Filesharing sog. Chartcontainer verfolge, ist im Lichte der Art. 5 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG nicht als unangemessene Herabsetzung und Verunglimpfung anzusehen.
2.) Bei der gebotenen Abwägung ist ein Informationsinteresse breiter Kreise, nämlich der abgemahnten Internetnutzer, zu berücksichtigen, um deren Mandat der äußernde Anwalt im Rahmen seiner beruflichen Außendarstellung typischerweise wirbt.
Normenkette
GG Art. 5 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; UWG § 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 01.03.2011; Aktenzeichen 33 O 338/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegner wird das am 1.3.2011 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des LG Köln abgeändert:
Die einstweilige Verfügung vom 28.9.2010 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen der Senat Bezug nimmt, ist eine vom LG durch Beschluss erlassene einstweilige Verfügung bestätigt worden, wonach die Antragsgegner es zu unterlassen haben, ein näher bestimmtes Video öffentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen, das im September 2010 unter dem Titel "Abmahnung O + Q- Filesharing - Kanzlei X C & T in M" auf der Internetplattform YouTube abrufbar war. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung rügen die Antragsgegner, die auf ihre unbestrittenen erstinstanzlichen Darlegungen zu zahlreichen Abmahnvorgängen Bezug nehmen, eine unzureichende Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Wertungen durch die Kammer. Der Antragsteller verteidigt die Entscheidung des LG, die das Video wegen darin enthaltener Äußerungen als herabsetzend angesehen hat, und stützt sich kumulativ auf eine seiner Ansicht nach durch andere Äußerungen bewirkte Irreführung der angesprochenen Verbraucher. Hilfsweise macht er geltend, die mit dem Video verbreiteten Äußerungen seien - soweit sie Tatsachenbehauptungen enthielten - nicht erweislich wahr, behinderten ihn gezielt in seinem Wettbewerb und verstießen gegen das anwaltsrechtliche Sachlichkeitsgebot.
II. Die zulässige Berufung erweist sich in der Sache als gerechtfertigt, während das als zulässige konkludente Anschlussberufung auszulegende Begehren des Antragstellers, das Video wegen irreführender Werbung zu verbieten, ohne Erfolg bleibt; mit seinem Hilfsvorbringen dringt er ebenfalls nicht durch.
1. Zwischen den als Rechtsanwälten bundesweit um Mandanten werbenden Parteien besteht - wie vom LG zu Recht angenommen - ein konkretes Wettbewerbsverhältnis (§ 2 Nr. 3 UWG).
2. Für die im Lichte der Grundrechte (Art. 5 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG) vorzunehmende Abwägung, ob das Video einem sachlich berechtigten Informationsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise und dem aus der Berufsausübungsfreiheit folgenden Recht der Antragsgegner zur unternehmerischen Selbstdarstellung (BVerfG GRUR 2008, 352 - Gegnerliste) dient und sich noch im Rahmen des Erforderlichen und Angemessenen hält oder die Grenze zur unlauteren Herabsetzung und Verunglimpfung gem. § 4 Nr. 7 UWG bzw. (im Hinblick darauf, dass der Antragsteller und seine Tätigkeit in dem Video deutlich erkennbar gemacht wird) § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG überschreitet, kann allerdings - wie der Senat zwischen denselben Parteien bereits mit Urteil vom 8.10.2010 (WRP 2011, 779) ausgesprochen hat - nicht unberücksichtigt bleiben, dass vom Antragsteller typischerweise die durch Filesharing geschädigten Rechteinhaber, von den Antragsgegnern dagegen die abgemahnten Internetnutzer vertreten werden. Vor allem auf das Verständnis dieser von ihnen als potentielle Mandanten umworbenen Personen, die im Wege der Abmahnung als Rechtsverletzer in Anspruch genommen worden sind und jetzt im Internet nach für sie hilfreichen Informationen suchen, kommt es für die Bewertung des Videos, seiner Überschrift und der darin enthaltenen Äußerungen an.
Unter Berücksichtigung der Sicht dieser Verkehrskreise ist es zunächst nicht zu beanstanden, dass im Titel und im Video - dort insgesamt viermal - die Kanzlei des Antragstellers mit vollem Namen erwähnt wird. Angesichts der durch die vorgelegten Google-Trefferlisten (Anlage BK 2) belegten und (unabhängig von den seitens des Antragstellers als unseriös angesehenen Angaben des "Vereins gegen den Abmahnwahn" gemäß Anlage BK 1) dem Senat auch aus anderen Verfahren bekannten Tatsache, dass der überwiegende Teil einschlägiger Abmahnungen von einer überschaubaren Zahl deutscher Rechtsanwaltskanzleien ausgesprochen wird und die des Antragstellers im Jahr 2010 zu denjenigen mit besonders umfangreicher Abmahntätigkeit gehörte, kann ein Informationsinteresse breiter Kreise insoweit nicht geleugnet werden. Da die Antragsgegner unbestritten in mehr als neunzig Abmahnungsfällen Ma...