Leitsatz (amtlich)
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind petitorische Einwendungen ggü. dem Anspruch auf Besitzschutz nach §§ 861, 862 BGB nur dann beachtlich, wenn die Berechtigung des Besitzstörers ausdrücklich oder infolge unsubstantierten Bestreitens zugestanden ist. Eine Beweisaufnahme über die Einwendungen durch präsente Zeugen scheidet hingegen aus.
Normenkette
BGB §§ 861-862; ZPO §§ 935 ff.
Verfahrensgang
AG Bergisch Gladbach (Urteil vom 21.05.2010; Aktenzeichen 2 Lw 9/10) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des AG - Landwirtschaftsgericht - Bergisch Gladbach vom 21.5.2010 (2 Lw 9/10) wie folgt abgeändert:
Dem Verfügungsbeklagten wird verboten, das Grundstück Gemarkung E. Flur 0, Flurstück XXX, Größe 2840 qm, zu betreten und Bewirtschaftungsmaßnahmen vorzunehmen.
Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft in der gesetzlichen Höhe angedroht.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Verfügungsbeklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO).
I. Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist begründet. Die Voraussetzungen für den beantragten Erlass einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935 ff. ZPO sind gegeben.
1. Der Verfügungskläger hat einen Verfügungsanspruch aus §§ 861, 862 BGB glaubhaft gemacht.
a) Der Verfügungsbeklagte hat durch das Beseitigen der Zaunanlage und das Ergreifen von Bewirtschaftungsmaßnahmen auf dem im Besitz des Verfügungsklägers stehenden Grundstückes eine verbotene Eigenmacht i.S.d. § 858 BGB begangen. Dass der Verfügungskläger den Besitz an dem Grundstück freiwillig aufgegeben oder sich mit den besitzstörenden Maßnahmen des Verfügungsbeklagten einverstanden erklärt hätte, hat der Verfügungsbeklagte auch in der mündlichen Verhandlung nicht dargetan.
b) Der Verfügungsbeklagte kann sich nicht darauf berufen, dass er von dem Eigentümer des Grundstückes, dem Zeugen L., zur Besitzergreifung ermächtigt worden sei (durch Ermächtigung zur Geltendmachung des Eigentumsherausgabeanspruches aus § 985 BGB; dazu BGH DtZ 1995, 360, 365; Palandt/Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 985 Rz. 1). Er macht insoweit geltend, der Verfügungskläger habe das Grundstück von dem Eigentümer nur geliehen, so dass sein Besitzrecht infolge des Rückgabeverlangens des Eigentümers erloschen sei (§ 604 Abs. 2 BGB). Der Verfügungskläger bestreitet dies und behauptet, er habe das Grundstück gepachtet; als Gegenleistung für die Nutzung habe er sich dem Eigentümer zur Lieferung von Brennmaterial verpflichtet. Das hätte zur Folge, dass ihm ein Besitzrecht noch zustünde, da das dann als Pachtvertrag einzuordnende Nutzungsverhältnis zumindest mangels Ablaufs der Kündigungsfrist noch nicht beendet wäre. Der Verfügungsbeklagte stützt sich zu seiner Verteidigung auf eine petitorische Einwendung. Diese ist jedenfalls deshalb unerheblich, weil der Verfügungskläger den Einwand konkret bestritten hat und eine Beweisaufnahme zu diesem Einwand im vorliegenden Verfahren auf Erlass der zum Besitzschutz beantragten einstweiligen Verfügung unzulässig ist.
aa) Ob im Verfahren der einstweiligen Verfügung ggü. dem Besitzschutzanspruch eine petitorische Einwendung erhoben werden kann, ist umstritten. Nach § 863 BGB kann ein Recht zum Besitz oder zur störenden Handlung nur zur Begründung der Behauptung geltend gemacht werden, dass die Entziehung oder die Störung des Besitzes nicht verbotene Eigenmacht sei. Eine verbreitete, wenn nicht sogar herrschende Ansicht verneint mit Rücksicht auf diese Bestimmung die Zulässigkeit petitorischer Einwendungen allgemein (vgl. MünchKomm/Joost, BGB, 5. Aufl., § 863 Rz. 6, zum Einwand aus § 242 BGB Rz. 7 und zum Verfahren der einstweiligen Verfügung Rz. 12 m.w.N.). Das OLG Rostock (OLG-NL 2001, 279; zust. Palandt/Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 863 Rz. 3) nimmt im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH (BGHZ 73, 355 = NJW 1979, 1358 und NJW 1979, 1359) zur petitorischen Widerklage im Hauptsacheverfahren an, dass petitorische Einwendungen auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dann beachtlich seien, wenn der Verfügungsbeklagte auf sie einen Gegenantrag stützen könne, der gleichzeitig im stattgebenden Sinne entscheidungsreif sei. Das KG hat weitergehend auch die bloße petitorische Einwendung ausreichen lassen, wenn sie entscheidungsreif ist (KG ZMR 2000, 818; zust. Lehmann-Richter NJW 2003, 1717; abl. Schur ZMR 2000, 802, 806). Dabei hat es sich auf eine Entscheidung des BGH (NJW 1999, 425, 427) gestützt, die dies für das Hauptsacheverfahren entschieden hat, soweit es sich jedenfalls um die letztinstanzliche Entscheidung handele.
bb) Verlangt man mit dem OLG Rostock für die Beachtlichkeit des Einwandes einen Gegenantrag, so scheitert der Einwand des Verfügungsbeklagten schon daran, dass er einen solchen Antrag nicht gestellt hat. Abgesehen davon sind die für einen solchen Antrag geltenden strengen Voraussetzungen nicht dargetan: der Gläubiger muss auf d...