Leitsatz (amtlich)
Gegen die Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlusswege ist die sofortige Beschwerde auch dann zulässig, wenn sie mit dem Ziel eingelegt wird, die nach Abschluss der ersten Instanz eingetretene Erledigung der Hauptsache festzustellen, und der Gegner am Verfahren nicht förmlich beteiligt worden war.
Verfahrensgang
LG Kempten (Aktenzeichen 13 O 1421/21) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 10.08.2021, Az: 13 O 1421/21, wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass sich das einstweilige Verfügungsverfahren in der Hauptsache erledigt hat.
2. Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf bis zu 1.000 EUR festgesetzt.
4. Die Streitwertfestsetzung für die erste Instanz wird von Amts wegen dahin abgeändert, dass der Streitwert auf 2.500 EUR festgesetzt wird.
Gründe
I. Der Antragsteller hatte am 09.08.2021 beim Landgericht Kempten (Allgäu) den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, durch welche der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt werden sollte, die am 20.07.2021 verhängte Sperrung seines Facebook-Accounts "T. W." für das Posten, Kommentieren und "Live-Gehen" aufrechtzuerhalten. Hinsichtlich der Begründung des Antrags wird auf die Antragsschrift vom 09.08.2021 (Bl. 1/5 d.A.) Bezug genommen.
Ohne die Antragsgegnerin am Verfahren zu beteiligen, hat das Landgericht mit Beschluss vom 10.08.2021 (Az: 13 O 1421/21 Pre) den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt. Zur Begründung seiner Entscheidung führt es im Wesentlichen aus, es könne dahinstehen, ob dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch zustehe; denn es fehle an dem erforderlichen Verfügungsgrund. Das Begehren des Antragstellers sei auf den Erlass einer Leistungsverfügung gerichtet, die mangels einer nachvollziehbaren Darlegung der hierfür erforderlichen Voraussetzungen zu einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache führen würde.
Die auf Erfüllung gerichtete Leistungsverfügung setze neben dem Bestehen des geltend gemachten Anspruchs ein dringendes Bedürfnis für die begehrte Eilmaßnahme voraus. Der Gläubiger müsse darlegen und glaubhaft machen, dass er auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen sei. Alternativ sei eine Leistungsverfügung auch dann zulässig, wenn die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen sei, dass die Erwirkung eines Vollstreckungstitels im ordentlichen Verfahren nicht möglich sei und die Verweisung des Gläubigers auf die Erhebung der Hauptsacheklage praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme.
Der Antragsteller habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen hervorgehe, dass er auf die dringende Erfüllung seines Anspruchs angewiesen sei. Er trage selbst vor, dass die Sperrung auf 30 Tage - scil: für das Posten und Kommentieren - bzw. 90 Tage - scil: für das "Live-Gehen" - beschränkt sei. Bei dieser Sachlage müsse sich der Antragsteller auf die Möglichkeit verweisen lassen, die Antragsgegnerin im Rahmen einer Hauptsacheklage auf Unterlassung einer Sperrung in Anspruch zu nehmen.
Gegen den ihm am 10.08.2021 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 20.08.2021, beim Landgericht eingegangen am selben Tage, sofortige Beschwerde eingelegt und gleichzeitig den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die von der Antragsgegnerin verhängte Sperre sei nach 30 Tagen abgelaufen. Die 90tägige Sperre für Werbung und das "Live-Gehen" bestehe jedenfalls seit dem 20.08.2021 nicht mehr fort. Bei Einreichung der Antragsschrift seien die vorgenannten Sanktionen dagegen noch in Kraft gewesen. Da der Antrag bei Einreichung zulässig und begründet gewesen sei, seien der Antragsgegnerin unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die von der Antragsgegnerin verhängten Sanktionen seien rechtswidrig gewesen. Der Bundesgerichtshof habe mit zwei Urteilen vom 29.07.2021 (Az: III ZR 179/20 und III ZR 192/20) entschieden, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin zur Kontensperrung bei Verstößen gegen die in den Bedingungen festgelegten Kommunikationsstandards unwirksam seien. Dies gelte auch im vorliegenden Fall, weil sich die Antragsgegnerin in ihren aktuellen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht dazu verpflichtet habe, den Nutzer über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen. Werde das Konto eines Nutzers aufgrund unwirksamer Geschäftsbedingungen vorübergehend mit einer Teilsperrung belegt, habe der Nutzer unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung.
Da die Antra...