Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Gunsten des Insolvenzverwalters. Zumutbarkeit der Aufbringung eines Kostenvorschusses durch die Insolvenzgläubiger
Leitsatz (amtlich)
1. In einem Insolvenzverfahren kann auch Gläubigern, die weniger als 5% der angemeldeten und anerkannten Forderungen auf sich vereinen, die Leistung eines Vorschusses für Prozessführung des Insolvenzverwalters zumutbar sein (Anschluss an BGH, Beschluss vom 25.11.2010 – VII ZB 71/08; gegen OLG Hamm, Beschlüsse vom 21.06.2005 – 27 W 17/05 und 28.11.2006 – 27 W 77/06).
2. Dem Insolvenzverwalter kann auch die Koordinierung von mehr als 5 Gläubigern zur gemeinsamen Vorschussleistung zuzumuten sein (Anschluss an BGH, Beschluss vom 25.11.2010 – VII ZB 71/08 und BGH, Beschluss vom 04.12.2012 – II ZA 3/12, Abweichung von BGH, Beschluss vom 06.03.2006 – II ZB 11/05).
3. Einen festen Maßstab, wonach eine bestimmte Mindestquote oder eine bestimmte Quotenverbesserung erforderlich ist, damit einem Insolvenzgläubiger eine Vorschussleistung zuzumuten ist, gibt es nicht. Vielmehr ist auf das Verhältnis zwischen aufzubringenden Kosten und möglichem Prozessergebnis abzustellen (ständige Rechtsprechung des BGH, z.B. Beschluss vom 26.01.2012 – IX ZA 102/11). Ist mehr als das Doppelte des aufzubringenden Vorschuss(-anteils) zu erwarten, wird eine Vorschusspflicht in Betracht kommen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 07.02.2010 – II ZR 13/10).
4. Auch Gläubiger, deren Forderung nur für den Ausfall festgestellt ist, sind grundsätzlich zu einem Vorschuss heranzuziehen. Dies gilt nicht, wenn prognostisch ist zu erwarten, dass sie wegen ihrer gesonderten Befriedigungsmöglichkeit nicht in nennenswertem Umfang am Erlös des Rechtsstreits partizipieren (Anschluss an BGH, Beschluss vom 03.05.2012 – V ZB 138/11).
5. Der mögliche Verlust eines einzusetzenden Vorschusses bleibt bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Vorschussleistung außer Betracht (Anschluss an BGH, Beschluss vom 03.05.2012 – V ZB 138/11)
Normenkette
ZPO §§ 114, 116 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 15 O 16209/07) |
Tenor
1. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens wird zurückgewiesen.
2. Das Verfahren ist kostenfrei.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft. Im Insolvenzverfahren hat er gemäß § 208 InsO drohende Masseunzulänglichkeit angezeigt, die reinen Massekosten sind durch die noch vorhandene Masse gedeckt. Er beantragt die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach einem klageabweisenden Urteil erster Instanz für die Durchführung einer Berufung gegen dieses Urteil. Materiell begehrt er im Rechtsstreit die Verurteilung der Beklagten zu 1 zur Duldung der Zwangsvollstreckung in zwei ihrer Grundstücke wegen einer Forderung von 268.156,40 Euro, die Verurteilung des Beklagten zu 2 zur Zahlung zur Zahlung von 268.156,40 Euro sowie die Verurteilung beider Beklagter zur Auskunftserteilung über weitere Ablösezahlungen, die zur Löschung der Grundpfandrechte auf diversen Grundstücken aus dem vormaligen Bestand der Insolvenzschuldnerin geführt haben. Der Kläger trägt vor, ein vollständiger Klageerfolg samt zugehöriger Anspruchsdurchsetzung würde zu einer Massemehrung von 604.127,34 Euro führen, von denen 581.329,00 Euro zur Verteilung kommen würden.
Zur Tabelle sind 29 verschiedene Forderungen angemeldet, im Gesamtumfang von 2.901.867,23 Euro. Davon sind 209.492,69 Euro anerkannt, 2.556.491,28 Euro für den Ausfall anerkannt und der verbleibende Rest von 115.447,22 Euro bestritten. Der Kläger ist der Meinung, die Finanzierung der Berufung in Höhe von 22.930,27 Euro (Vorschuss für 2,8 Rechtsanwaltsgebühren samt Nebenkosten und Steuern sowie Gerichtsgebühren) sei den Gläubigern nicht zuzumuten.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, da den nachfolgend genannten Gläubigern die Leistung eines Vorschusses zur Finanzierung der Kosten des Berufungsverfahrens zuzumuten ist und vom Kläger die Koordination dieser Gläubiger zu verlangen ist.
1. Bereits im Ansatz unzutreffend ist die Annahme des Klägers, dass Gläubiger mit einem Anteil von weniger als 5% der angemeldeten oder anerkannten Forderungen die Teilnahme an einer Prozessfinanzierung nicht zugemutet werden könne. Soweit der Kläger meint, sich insoweit auf eine Entscheidung des BGH in ZInsO 2004, 501 berufen zu können, lassen sich unter dieser Fundstelle zwei Entscheidungen auffinden. Im Urteil des BGH vom 05.02.2004 (IX ZR 473/00) lässt sich ein solcher Rechtssatz nicht finden. Auch im Urteil des BFH vom 17.12.2003 (I R 1/02) wird ein solcher rechtlicher Obersatz nicht aufgestellt. Tatsächlich ist eine solche Beschränkung nur in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung erörtert worden (z.B. OLG Hamm, Beschluss vom 28.11.2006 – 27 W 77/06, Beck-RS 2007, 02231, davor OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2005 – 2...