Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergangsrecht bei der Anrechnung der Geschäftsgebühr des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Rechtsanwalt eine Geschäftsgebühr nach der BRAGO und eine Verfahrensgebühr nach dem RVG verdient, so richtet sich die Anrechnung der Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 2 BRAGO und nicht nach VV Vorbemerkung 3 Abs. 4.

 

Normenkette

BRAGO § 118 Abs. 2; VV Vorbemerkung 3 Abs. 4

 

Verfahrensgang

AG Eggenfelden (Beschluss vom 03.11.2004; Aktenzeichen 1 F 448/04)

 

Tenor

I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Eggenfelden vom 3.11.2004 wird dahin gehend abgeändert, dass die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten festgesetzt werden auf 1.483,35 EUR.

II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

IV. Der Beschwerdewert beträgt bis zu 300 EUR.

V. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger wendet sich dagegen, dass zugunsten der Beklagten die volle 1,3-Verfahrensgebühr zuerkannt wurde, obgleich er für die vorprozessuale Vertretung hinsichtlich desselben Streitgegenstandes bereits 269,41 EUR bezahlt hat. Dieser Betrag entspricht der Hälfte der vom Beklagtenvertreter für die vorgerichtliche Tätigkeit insgesamt geltend gemachten Geschäftsgebühr gem. § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO. Die außergerichtliche Tätigkeit war nach der BRAGO, die gerichtliche Tätigkeit nach dem RVG abzurechnen. Der Kläger ist der Auffassung, dass hinsichtlich der Anrechnung der Geschäftsgebühr § 118 Abs. 2 BRAGO anzuwenden sei, also die ganze Geschäftsgebühr anzurechnen sei. Davon ausgehend ergebe sich, dass die gezahlten 269,41 EUR von der Verfahrensgebühr abzuziehen seien. Die Beklagte bestreitet die Zahlung nicht, meint aber, auf die Anrechnung der Geschäftsgebühr sei VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 anzuwenden. Darüber hinaus habe der Kläger vorbehaltlos die 269,41 EUR bezahlt.

II. Die sofortige Beschwerde ist begründet.

1. Die Frage, in welchem Umfang eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr der BRAGO auf eine Verfahrensgebühr des RVG anzurechnen ist, ist eine gebührenrechtliche Frage und kann daher im Kostenfestsetzungsverfahren - anders als eine materiell-rechtliche Einwendung - berücksichtigt werden.

Allerdings ist die Frage, ob eine Zahlung auf die Geschäftsgebühr bereits erfolgt ist, eine materiell-rechtliche Frage. Eine solche kann aber im Kostenfestsetzungsverfahren dann berücksichtigt werden, wenn die Zahlung, wie im vorliegenden Fall, anerkannt ist.

2. Der Senat ist der Auffassung, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO sich nach § 118 Abs. 2 BRAGO und nicht nach VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 richtet (ebenso Meyer/Kroiß/Klees, RVG, § 60 Rz. 9; Hansens, RVG-Report 2004, 242 [244 Ziff. III 2]; Schneider, AnwBl. 2004, 359 ff. [362 Ziff. 8]; a.A. für Anrechnung gem. VV Vorbemerkung 3 Abs. 4; Enders, JurBüro 2004, 230; Bischoff/Jungbauer/Podlech/Trappmann, RVG, 1. Aufl., § 61 Rz. 14). Eine wörtliche Anwendung von VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 scheidet aus, weil dort ausdrücklich die Anrechnung der "Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2400 bis 2403" geregelt ist. Der Rechtsanwalt hat aber keine Geschäftsgebühr gem. VV 2400 ff. verdient. Hierauf abzustellen ist auch nicht formalistisch. Die Geschäftsgebühr des RVG ist eine völlig andere als die der BRAGO. Sie umfasst auch eine Besprechung und bringt einen viel umfangreicheren Gebührenrahmen mit sich. Hingegen besteht in der BRAGO neben der Geschäftsgebühr eine Besprechungsgebühr. Würde man die Vorbemerkung 3 Abs. 4 anwenden, so ergäbe sich das nicht zu vertretende Ergebnis, dass zum einen die Geschäftsgebühr nur teilweise anzurechnen wäre, andererseits aber dem Rechtsanwalt noch eine Besprechungsgebühr zustehen würde. Für die hier vertretene Auffassung ist es unerheblich, ob man § 118 Abs. 2 BRAGO unmittelbar oder analog anwendet. Hansens ist für eine unmittelbare Anwendung, da in § 118 Abs. 2 BRAGO nur eine Anrechnung auf entsprechende Gebühren für ein anschließendes Verfahren vorgesehen ist, ohne dass die Gebühr, auf die anzurechnen ist, näher eingegrenzt wird (Hansens, RVG-Report 2004, 242 [244 Ziff. III 2]). Sollte man § 118 Abs. 2 BRAGO nicht unmittelbar anwenden, weil dort mit den entsprechenden Gebühren nur Gebühren der BRAGO gemeint seien, so ist eine analoge Anwendung erforderlich. Aus den oben genannten Gründen scheidet eine analoge Anwendung von VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 aus. Die Geschäftsgebühr des VV 2400 weicht zu weit von der Geschäftsgebühr des § 118 BRAGO ab, die Verfahrensgebühr aber, einmal von der Höhe abgesehen, nicht von der Prozessgebühr.

Auf keinen Fall kann eine Anrechnung schlechthin verneint werden mit dem Argument, weder § 118 Abs. 2 BRAGO noch VV Vorbemerkung 3 Abs. 4 seien unmittelbar anzuwenden. Die BRAGO kannte eine Anrechnung, das unmittelbar nachfolgende RVG kennt sie ebenfalls. Eine etwaige Lücke im Übergangsrecht kann daher nur dahin gehend geschlossen werden, dass auch hier eine Anrechnung vorzunehmen ist.

3. Die Beklagte kann sich auch...

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