Leitsatz (amtlich)
Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzungen im Internet.
Normenkette
UrhG § 97 Abs. 1; ZPO §§ 32, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 11.06.2012; Aktenzeichen 31 C 1167/12 (16)) |
AG München (Aktenzeichen 142 C 8559/12 (2)) |
Tenor
I. Örtlich zuständig ist das AG Frankfurt/M.
II. Der Beschluss des AG Frankfurt/M. vom 11.6.2012 wird aufgehoben.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Handelsgesellschaft, begehrt mit ihrer Klage zunächst im Mahnbescheidsweg verfolgte Ansprüche auf Schadensersatz (§ 97 Abs. 1 UrhG) infolge einer Urheberrechtsverletzung durch den Beklagten. Die Klägerin ist ein kartographischer Verlag, der Stadt- und Landkreiskarten sowie Atlanten zum Zweck der Werbung herstellt. Sie unterhält unter einer inländischen Internetadresse eine Homepage, über die man kostenfrei verschiedene Stadt-, Kreis- und Spezialkarten aufrufen kann, die detaillierte Suchmöglichkeiten eröffnen. Mit ihrer Anspruchsbegründung vom 23.3.2012 behauptet sie eine unberechtigte Verwendung einer Internet-Kartographie, die der Beklagte von ihrer Homepage herunterkopiert und auf seine eigene Internetseite eingestellt habe.
Die Anspruchsbegründung weist als Sitz der Klägerin Mering im Amtsgerichtsbezirk Aichach/Landgerichtsbezirk Augsburg aus. Nach den dem Schriftsatz beigefügten Unterlagen (K 1-K 7) unterhält sie hingegen ihren Geschäftssitz in München. Der Beklagte, der eine Fahrschule betreibt, ist in Frankfurt/M. wohnhaft. Die Zuständigkeit des ursprünglich angerufenen AG München (142 C 8559/12) stützte die Klägerin auf § 32 ZPO. Als Begehungsort komme grundsätzlich jeder Ort in Betracht, an dem die Internetseite des Verletzers bestimmungsgemäß aufgerufen werden könne. Eine örtliche Beschränkung sei nicht gegeben. Begehungsort der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung sei daher zumindest auch München.
Das AG München hat mit Beschluss vom 10.4.2012 darauf hingewiesen, dass es örtlich unzuständig sei. Die Zuständigkeit nach § 32 ZPO setze voraus, dass die Homepage bestimmungsgemäß aus dem Bezirk des AG München heraus aufgerufen werde. Das sei bei einer in Frankfurt/M. ansässigen Fahrschule nicht der Fall. Das AG hat nach Anhörung des Beklagten und auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 27.4.2012 sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Frankfurt/M. verwiesen. Es hat sich auf § 281 Abs. 1 ZPO sowie die eigene Unzuständigkeit nach § 32 ZPO und auf die Zuständigkeit des AG Frankfurt/M. aus §§ 12, 13 ZPO i.V.m. § 105 UrhG berufen.
Das AG Frankfurt/M. hält sich seinerseits für unzuständig. Es hat sich mit Beschluss vom 11.6.2012 dementsprechend für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG München zurückverwiesen. Es hält den Verweisungsbeschluss des AG München für willkürlich. Es fehle eine nachvollziehbare Begründung für die Verweisung. Die eigene Zuständigkeit sei ohne nachvollziehbare Begründung verneint worden. Selbst bei einer kritischen Beleuchtung der Rechtsprechung zum sog. "fliegenden Gerichtsstand" hätte das AG München unter keinem sachlichen Gesichtspunkt zur Verneinung der eigenen Zuständigkeit kommen dürfen. Denn es müsse berücksichtigt werden, dass der Gerichtsstand des angerufenen Gerichts jedenfalls dann erfüllt sei, wenn sich dieses mit (1) dem Sitz des Klägers oder (2) dem Sitz des Beklagten oder (3) dem Ort der Verletzung decke. Hier habe die Klägerin ihren Sitz in München. Diese habe ihr etwaiges Wahlrecht zwischen mehreren Gerichtsständen durch die Anrufung des Gerichts in München mit Klageerhebung ausgeübt. Die Stellungnahme der Parteien zum Verweisungsbeschluss sei nicht geeignet, die Entscheidung nach § 281 ZPO "zu rechtfertigen".
Mit Beschluss vom 20.8.2012 hat schließlich das AG Frankfurt/M. die Sache dem OLG München zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. Auf die nach § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 37 ZPO zulässige Vorlage ist die örtliche Zuständigkeit des AG Frankfurt/M. auszusprechen. Die Zuständigkeit dieses Gerichts folgt daraus, dass das AG Frankfurt/M. an den Verweisungsbeschluss des AG München vom 27.4.2012 gebunden ist (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Die Bindung bewirkt, dass sich das AG Frankfurt/M. seinerseits nicht willkürfrei für örtlich unzuständig erklären und den Rechtsstreit an das AG München zurückverweisen konnte.
1. Der Gesetzgeber hat in § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Dies hat der Senat im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten, so dass der erste mit verfahrensrechtlicher Bindungswirkung erlassene Verweisungsbeschluss im Bestimmungsverfahren fortwirkt (etwa Zöller/Vollkommer ZPO, 29. Aufl., § 36 Rz. 28). Der Gesetzgeber nimmt es hin, dass auch unrichtige oder verfahrensfehlerhaft ergangene Beschlüsse grundsätzlich binden und demnach selbst ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss regelmäßig der Nachprüfung entzogen ist (s. Zöll...