Entscheidungsstichwort (Thema)
Coronavirus, SARS-CoV-2, Versicherungsschutz, Versicherungsnehmer, Berufung, Versicherungsbedingungen, Versicherer, Leistungsbeschreibung, Auslegung, Klausel, Versicherung, Verbreitung, Bewertung, Ausschluss, Umfang, Betrieb, Aussicht auf Erfolg, Treu und Glauben, wirtschaftliche Nachteile
Verfahrensgang
LG Landshut (Aktenzeichen 82 O 3242/20) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass die Berufung der Beklagten Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Nach vorläufiger Bewertung liegt kein Versicherungsschutz für die Auswirkungen der Corona-Pandemie vor.
Gründe
1. Ausweislich des Versicherungsscheins (Anlage K 1 = BLD 1) sind die Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden infolge Infektionsgefahr beim Menschen (Betriebsschließungsversicherung) (BS 2008) des beklagten Versicherers (fortan: AVB-BS 2008; Anlage BLD 2) Bestandteil des Versicherungsvertrags der Parteien, wovon auch das Landgericht ausgegangen ist. Nach §§ 23, 25 AVB-BS 2008 besteht kein Versicherungsschutz für Betriebsschließungen zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit COVID-19 oder des Krankheitserregers SARS-CoV-2 (fortan auch: Corona). § 25 Nr. 4 AVB-BS 2008 ist als abschließende Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger auszulegen und wirksam. Corona ist in dieser abschließenden Aufzählung nicht enthalten (vgl. OLG München, Beschluss vom 12. Mai 2021 - 25 U 5794/20 zu den AVB-BS 2013; vom 7. Juni 2021 - 25 U 6379/20 zu den AVB-BS 2012).
a) §§ 23, 25 AVB-BS 2008 sind so zu verstehen, dass Versicherungsschutz nur besteht, wenn der Betrieb geschlossen wird zur Verhinderung der Verbreitung von Krankheiten, die in § 25 Nr. 4 lit. a, und von Krankheitserregern, die in § 25 Nr. 4 lit. b AVB-BS 2008 aufgezählt sind. Krankheiten und Erreger, die in diesen Listen nicht enthalten sind, wären auch dann nicht in den Versicherungsschutz einbezogen, wenn sie in den §§ 6 und 7 IfSG genannt wären.
aa) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Werden Versicherungsverträge typischerweise mit und für einen bestimmten Personenkreis geschlossen, so sind die Verständnismöglichkeiten und Interessen der Mitglieder dieses Personenkreises maßgebend (BGH, Urteil vom 25. Mai 2011 - IV ZR 117/09, r+s 2011, 295 Rn. 22). In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 10. April 2019 - IV ZR 59/18, NJW 2019, 2172 Rn. 17 mwN).
bb) Nach diesen Grundsätzen sind §§ 23, 25 AVB-BS 2008 im Sinne einer abschließenden Aufzählung auszulegen (vgl. auch OLG Schleswig, Urteil vom 10. Mai 2021 - 16 U 25/21, juris Rn. 27 f).
(1) § 23 AVB-BS 2008 ist überschrieben mit "Gegenstand der Versicherung", § 25 mit "Versicherte Gefahren und Schäden". Nach § 23 Abs. 1 ersetzt der Versicherer den Schaden, der dadurch entsteht, dass "der versicherte Betrieb von behördlichen Anordnungen (siehe § 25) aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) betroffen" ist. Nach § 25 Nr. 1 AVB-BS 2008, überschrieben mit "Behördliche Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten", leistet der Versicherer Entschädigung, "wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 4) ... den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Nr. 4 schließt". In § 25 Nr. 4 AVB-BS 2008 heißt es unter der Überschrift "Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger": "Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: ...", gefolgt von einer listenförmigen Aufzählung von Krankheiten unter lit. a und einer solchen von Krankheitserregern unter lit. b.
(2) Der für den Versicherungsnehmer erkennbare Sinnzusammenhang, Wortlaut und Zweck der Bedingungen verlangen eine Auslegung dieser Klausel als abschließende Aufzählung.
(a) Bei der Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger in § 25 Nr. 4 lit. a und b AVB-BS 2008 handelt es sich erkennbar um eine Beschreibung des versicherten Risikos, nicht um einen Risikoausschluss. Das ergibt sich insbesondere aus der Stellung im Bedingungswerk sowie den Überschriften und dem Zusammenhang der betroffenen Regelungen.
Die Aufzählung der Krankheiten...