Leitsatz (amtlich)
1. Das Nachlassgericht ist an die übereinstimmende Auslegung einer letztwilligen Verfügung durch die Beteiligten nicht gebunden.
2. Zur Auslegung der Bestimmung in einem Ehe- und Erbvertrag, wonach eines der gemeinsamen Kinder nach dem Tod des Letztversterbenden "Anspruch auf das Anwesen" haben soll.
Normenkette
BGB §§ 1937, 2048, 2084, 2359
Verfahrensgang
AG Starnberg (Beschluss vom 17.02.2010; Aktenzeichen VI 0109/90) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss des AG Starnberg vom 17.2.2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beteiligte zu 3. Der Beteiligte zu 3 hat den Beteiligten zu 1 und 2 die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 660.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Erblasserin ist 1990 im Alter von 80 Jahren verstorben. Ihr Ehemann, mit dem sie seit 1933 verheiratet gewesen war, ist 1978 vorverstorben. Der Beteiligte zu 3 (geboren 1934) ist der älteste Sohn des Ehepaares. Ein weiterer Sohn (geboren 1945) ist 1983 kinderlos vorverstorben. Die Beteiligten zu 1 und 2 (geboren 1939 bzw. 1949) sind die beiden Töchter.
Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Immobilien, Bankguthaben und dem Anteil der Erblasserin an der 1977 gegründeten L. GmbH. Die Beteiligten zu 1 und 2 geben den Wert der Gesellschaft zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin mit rund 1 Mio. DM und ihren Anteil mit 2/5 an. Ausgehend von den Angaben im Nachlassverzeichnis und den Bodenrichtwerten hat das Nachlassgericht den gesamten Nachlasswert mit rund 1 Mio EUR. beziffert.
Die Ehegatten haben am 17.4.1941 einen Ehe- und Erbvertrag geschlossen, mit dem sie Gütergemeinschaft vereinbart und sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben. Mit Übergabevertrag vom selben Tag erhielt der Ehemann der Erblasserin von seiner verwitweten Mutter das "Anwesen Haus Nr., bestehend aus" den im Einzelnen aufgelisteten bebauten und unbebauten Grundstücken "zu Zwecken des landwirtschaftlichen Betriebes". Der Ehe- und Erbvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
"III. Herr J. und Frau T. L. setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein. Beim Ableben eines Teiles ist der überlebende Eheteil lediglich verpflichtet, an etwa vorhandene Pflichtteilsberechtigte den gesetzlichen Pflichtteil auszuweisen und sicher zu stellen.
Sollte der überlebende Teil wieder heiraten, so ist er verpflichtet, das den Abkömmlingen des Erstverstorbenen ausgezeigte Vater- oder Muttergutsvermächtnis auf die Höhe des gesetzlichen Erbteiles zu ergänzen, es also ggf. zu verdoppeln.
IV. Die Beteiligten haben alles Interesse daran, dass das schon seit 270 Jahren im Besitze der Familie L. befindliche Anwesen auch ferner im Besitze eines Sohnes der Familie L. bleibt. Zu diesem Zwecke wird noch folgendes bestimmt:
Sollte Frau T. L. der überlebende Eheteil sein und wieder heiraten, so ist sie verpflichtet, das Anwesen an einen erstehelichen Sohn nach ihrer Wahl zu übergeben. Für die Übergabe haben die ortsüblichen Bedingungen zu gelten; die Gegenleistungen für die Übernahme dürfen auf keinen Fall den Steuereinheitswert überschreiten, wobei das eigene Elterngut des Übernehmers angemessen zu berücksichtigen ist.
Den Zeitpunkt der Übergabe hat die Mutter zu bestimmen. Die gleiche Verpflichtung geht, falls die Mutter nicht zu Lebzeiten übergibt, auf ihre Erben über.
Sollte die Mutter nicht zu Lebzeiten übergeben oder durch Testament einem erstehelichen Sohn das Anwesen zugewendet haben, so hat der älteste Sohn der Mutter Anspruch auf das Anwesen."
Nach dem Tod der Erblasserin wies das Nachlassgericht mit Schreiben vom 4.2.1991 darauf hin, dass der Erbvertrag wohl keine Erbeinsetzung enthalte und gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Ein Erbscheinsantrag wurde zunächst nicht gestellt. Am 21.8.1995 erklärten die Beteiligten zu 1 bis 3 zur Niederschrift des Nachlassgerichts, der Ehe- und Erbvertrag vom 17.4.1941 werde übereinstimmend dahingehend ausgelegt, dass der Beteiligte zu 3 zum Alleinerben berufen sei. Es sei der Wille beider Eltern gewesen, ihm das Anwesen zuzuwenden, das den weit überwiegenden Teil des Nachlasses ausmache. Antragsgemäß wurde am selben Tag dem Beteiligten zu 3 ein Erbschein als Alleinerbe erteilt.
Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 16.11.2009 beantragten die Beteiligten zu 1 und 2 die Einziehung des Erbscheins vom 21.8.1995. Zur Begründung führten sie aus, die Beteiligten seien stets davon ausgegangen, dass sie Erben zu 1/3 geworden seien und der Beteiligte zu 3 als Vorausvermächtnis das Anwesen zu Alleineigentum haben solle. Der Erbschein vom 21.8.1995 sei so beantragt worden, um das Fischereirecht zu behalten, das zum Betrieb der Bootshafen-Gesellschaft erforderlich sei. Am 23.8.1995 habe ein notarieller Erbauseinandersetzungsvertrag beurkundet werden sollen, dieser sei jedoch nicht zustande gekommen. Der Beteiligte zu 3 ist dem Antrag entgegengetreten. Der Ehe- und Erbvertrag könne nur so verstanden we...