Leitsatz (amtlich)
Beschränkt sich das erstinstanzliche Urteil auf Feststellungen zum reinen Schuldvorwurf nach §§ 316 StGB, 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, ohne auf die auch für die Rechtsfolgenbemessung wesentlichen Begleitumstände der Tat (Anlass und Motiv, Fahrtstrecke, Verkehrsumstände zur Tatzeit) einzugehen, ist eine nach § 318 StPO erklärte Beschränkung der Berufung auf die Rechtsfolgen unwirksam und das die Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung zugrunde legende Berufungsurteil unterliegt aufgrund der erhobenen Sachrüge schon aus diesem Grunde der Aufhebung (im Anschluss an die ständige Senatsrechtsprechung StraFo 2008, 210).
Normenkette
StGB § 316; StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1; StPO § 318
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Entscheidung vom 29.02.2012) |
AG Viechtach (Entscheidung vom 20.04.2011) |
AG Viechtach (Entscheidung vom 01.12.2010; Aktenzeichen Ds 7 Js 4980/10) |
AG Deggendorf (Entscheidung vom 22.09.2006; Aktenzeichen Cs 7 Js 4767/06) |
Tenor
I.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 29. Februar 2012 - samt den ihm zugrunde liegenden Feststellungen - aufgehoben.
II.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere Strafkammer des Landgerichts Deggendorf zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Viechtach hat den Angeklagten mit Urteil vom 20. April 2011 der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis schuldig gesprochen. Zum Schuldspruch hat das Gericht des ersten Rechtszugs folgenden Sachverhalt festgestellt:
"Der Angeklagte fuhr am 18. November 2010 gegen 19.40 Uhr mit dem Pkw Audi A 4, amtliches Kennzeichen xxx, auf der H. Straße in xxxf, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war.
Eine bei dem Angeklagten am 18.11.2010 um 20.08 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,15 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X.
Seine Fahruntüchtigkeit hätte der Angeklagte bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen. Außerdem hatte der Angeklagte, wie er wusste, nicht die erforderliche Fahrerlaubnis. Der Führerschein war seit 5.8.2010 nach § 94 StPO sichergestellt gewesen.
Durch die Tat hat sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen."
Unter Einbeziehung der (viermonatigen) Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Viechtach vom 1. Dezember 2010 (Az.: Ds 7 Js 4980/10) und Verhängung einer sechsmonatigen Einzelstrafe hat das Amtsgericht Viechtach eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Die Staatsanwaltschaft Deggendorf hat dieses Urteil mit der Berufung angefochten und das Rechtsmittel auf das Strafmaß beschränkt. Am 29. Februar 2012 hat die Strafkammer des Landgerichts Deggendorf das Urteil des Amtsgerichts dahin abgeändert, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der Strafe aus dem vorgenannten Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden ist. Dem Angeklagten ist die Fahrerlaubnis entzogen, der Führerschein eingezogen worden. Die Berufungskammer hat die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von achtzehn Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Berufung als unbegründet verworfen.
Gegen dieses in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 6. März 2012 - eingegangen am selben Tag - Revision eingelegt, die er nach Urteilszustellung am 12. März 2012 begründet und auf die ausgeführte Sachrüge gestützt hat, mit der er eine Verletzung des § 56 StGB rügt. Die Revisionsbegründung ist am 12. April 2012 bei Gericht eingegangen.
II.
Die nach § 333 StPO statthafte, im Übrigen nach §§ 337, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO zulässige Revision erweist sich aufgrund der erhobenen Sachrüge als begründet.
Auf die Sachrüge hin prüft das Revisionsgericht nicht nur, ob das materielle Recht rechtsfehlerfrei auf den Urteilssachverhalt angewendet worden ist, sondern darüber hinaus von Amts wegen auch, ob Prozessvoraussetzungen gegeben sind oder Prozesshindernisse entgegenstehen. Zu dieser Prüfung zählt auch die Frage, ob eine vor dem Berufungsgericht erklärte Rechtsmittelbeschränkung nach § 318 StPO wirksam ist (OLG München Beschluss vom 10.8.2011, 4 StRR 127/11). Denn die Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung ist eine Frage der Teilrechtskraft. Gerade bei Beschränkungen der Berufungen auf das Strafmaß umfasst diese Prüfung auch, ob der vom Amtsgericht festgestellt Sachverhalt auch in Hinsicht auf die Rechtsfolgen tragfähig ist oder insoweit Lücken aufweist (Senatsbeschluss vom 19. August 2010 - Aktenzeichen: 4 StRR 118/10, S. 3 f.).
Das Landgericht ist vorliegend davon ausgegangen, dass die Staatsanwaltschaft das erstinstanzliche Ur...