Leitsatz (amtlich)

1. Zur (analogen) Anwendbarkeit der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG auf die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach § 6 GeschGehG.

2. Haben sich für einen Antragsteller mehrere Rechtsanwälte einer Kanzlei als Prozessbevollmächtigte bestellt und ist einem dieser Prozessbevollmächtigten ein gerichtlicher Hinweis mit einer Fristsetzung von einer Woche zugestellt worden, kann eine die Dringlichkeit wahrende Sachbehandlung grds. nur dann angenommen werden, wenn bis zum Ablauf der gesetzten Frist eine Stellungnahme auf den Hinweis bei Gericht eingeht. Darauf, dass der Empfänger nicht der Sachbearbeiter gewesen sei und der Fristenlauf deswegen erst mit Zugang des Hinweises bei diesem zu laufen begonnen habe, kann sich der Antragsteller nicht berufen.

3. Rechtsmissbräuchliches Verhalten eines Antragstellers kann auch darin liegen, dass eine vor Antragstellung lediglich angekündigte außergerichtliche Stellungnahme dem Antragsteller erst nach Einreichung des Antrags zugeht, er diese dem Gericht aber gleichwohl nicht unaufgefordert zur Kenntnis bringt.

4. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (GRUR 2018, 1288, Rn. 24) kann es zwar entbehrlich sein, den bislang nicht am Verfügungsverfahren beteiligten Antragsgegner vor einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen einen Zurückweisungsbeschluss zu hören, wenn die sofortige Beschwerde ihrerseits ohne Erfolg bleibt. Erforderlich kann jedoch dann die Bekanntgabe des die Beschwerde zurückweisenden Beschlusses an den Antragsgegner sein, um dem verfassungsrechtlichen Gebot der Waffengleichheit auch im Hinblick auf etwaige zukünftige Verfahren Rechnung zu tragen.

 

Normenkette

UWG § 12 Abs. 2; ZPO § 922 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 39 O 9810/19)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 29.07.2019 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 50.000,- festgesetzt.

IV. Der Zurückweisungsbeschluss ist auch der Antragsgegnerin über ihre Prozessbevollmächtigten bekannt zu geben.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin macht gegen die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung einen auf § 6 GeschGehG gestützten Unterlassungsanspruch geltend, weil diese ein nach Vortrag der Antragstellerin rechtswidrig kopiertes Adressverzeichnis gesetzeswidrig nutze.

Die Antragstellerin macht geltend, ihren geschäftlichen Schwerpunkt in der Vermittlung von medizinischem Fachpersonal zu haben: Ärzte aus dem Ausland wendeten sich an die Antragstellerin, damit diese für die anfragenden Ärzte neben weiteren Aufgaben auch nach potenziellen Arbeitgebern (zB Kliniken) suche. Zu diesem Zweck pflege die Antragstellerin das streitgegenständliche Adressverzeichnis.

Dieses habe eine ehemalige Angestellte, Frau L. S., kopiert und nutze es nach ihrem zwischenzeitlichen Ausscheiden für ihren jetzigen Arbeitgeber, die Antragsgegnerin, zwecks Akquise. Zum Kopiervorgang trägt die Antragstellerin in der Antragsschrift vor, dass die ehemalige Angestellte der Antragstellerin Frau L. S. das streitgegenständliche Adressverzeichnis am 19.02.2019 kopiert habe, nachdem sie sich unter Beihilfe des für die IT-Sicherheit Verantwortlichen der Antragstellerin mittels eines dem System unbekannten Computers Zugriff auf die Daten der Antragstellerin verschafft gehabt habe.

Am 17.06.2019 habe der Geschäftsführer der Antragstellerin eine mit der Absenderadresse s...@...de versehene eMail erhalten, aus der sich für diesen in Zusammenschau mit den in der Antragsschrift näher dargestellten Vorkommnissen ergeben habe, dass Frau S. das Adressverzeichnis am 19.02.2019 kopiert habe.

Nachdem die Antragstellerin die Antragsgegnerin außergerichtlich mit Anwaltsschreiben vom 04.07.2019 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung aufgefordert hatte und diese eine inhaltliche Antwort erst zum 19.07.2019 angekündigt hatte, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 15.07.2019, bei Gericht eingegangen am 16.07.2019 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten werden sollte, das elektronische Adressverzeichnis (Adressverzeichnis mit Kliniken) der Antragstellerin, welches von Frau L. S. kopiert wurde, zu benutzen und/oder zu vervielfältigen.

Mit Verfügung vom 16.07.2019 hat die Vorsitzende der am Landgericht mit der Sache befassten Kammer die Antragstellerin ua darauf hingewiesen, dass der Antrag konkretisiert werden müsse, damit klar sei und nicht dem Vollstreckungsverfahren überlassen bleibe, welche Adressen zum Zeitpunkt des vermuteten Kopiervorgangs Gegenstand des Adressverzeichnisses gewesen seien. Als Frist hierfür wurde 1 Woche gesetzt (Bl. 11 d.A.).

Die Verfügung wurde per beA seitens der gerichtlichen Geschäftsstelle versandt und nach dem Vortrag der Antragstellervertreter dem dor...

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