Leitsatz (amtlich)
Die Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat endet spätestens in dem Zeitpunkt, in dem die Hauptversammlung über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr seit Amtsantritt hätte beschließen müssen (im Anschluss an BGH AG 2002, 676/677).
Normenkette
AktG § 102
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 05.10.2009; Aktenzeichen HRB 129915 (Fall 46)) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Gesellschaft gegen den Beschluss des AG München vom 5.10.2009 betreffend die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds (Fall 46) wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass Rechtsanwalt A.v.Sch. als Mitglied des Aufsichtsrats bestellt wird bis zum Ende der nächsten Hauptversammlung.
II. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses wird zurückgewiesen.
III. Die Beteiligte zu 1 hat die der Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird für die Hauptsache auf 50.000 EUR festgesetzt, für die einstweilige Anordnung auf 10.000 EUR.
V. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die beteiligte börsennotierte Aktiengesellschaft verfügt über ein Grundkapital i.H.v. 9.577.302 EUR, das in ebenso viele nennwertlose Stückaktien eingeteilt ist. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft besteht aus drei Mitgliedern, die längstens für die Zeit bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden, die über ihre Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt (§ 9 Abs. 1 und 2 der Satzung). Nach § 18 Abs. 2 der Satzung ist die ordentliche Hauptversammlung innerhalb der ersten sechs Monate eines jeden Geschäftsjahrs abzuhalten. Das Geschäftsjahr der Gesellschaft entspricht dem Kalenderjahr. Die gesetzlich vorgeschriebenen Bekanntmachungen erfolgen ausschließlich im elektronischen Bundesanzeiger (§ 4 Abs. 1 der Satzung).
Die Beteiligte zu 2 ist Aktionärin der Gesellschaft. Sie selbst hält rund 18 % der Aktien, zusammen mit weiteren Mitgliedern der Aktionärsgruppe verfügt sie über Anteile von rund 30 %. Ihr Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter W. wurde durch die Hauptversammlung vom 15.6.2005 zum Mitglied des Aufsichtsrats gewählt. Er legte das Amt nieder, als er Mitte Oktober 2008 Vorsitzender des Vorstands wurde. Für ihn wurde mit Wirkung zum 1.12.2008 Z. als Mitglied des Aufsichtsrats gerichtlich bestellt. Weitere Mitglieder waren der Vorsitzende B. (gewählt durch die Hauptversammlung vom 9.6.2004) und V. (gewählt durch die Hauptversammlung vom 15.6.2005). Im Februar 2009 machte die Beteiligte zu 2 bekannt, dass sie aufgrund einer Aktionärsvereinbarung infolge Stimmrechtszurechnung die Kontrolle über die Gesellschaft erlangt habe und rund 30,42 % der Stimmrechte halte, und unterbreitete Anfang März ein öffentliches Übernahmeangebot. Vorstand und Aufsichtsrat beurteilten das Angebot als zu niedrig und empfahlen den Aktionären, es nicht anzunehmen. Das Angebot wurde für knapp 0,20 % des Grundkapitals angenommen. Mit Schreiben vom 23.4.2009 schlug die Beteiligte zu 2 für die Hauptversammlung vom 18.5.2009 zwei Kandidaten für den Aufsichtsrat vor, u.a. die Ehefrau ihres Geschäftsführers, und kündigte an, der Wahl der vom Vorstand vorgeschlagenen Kandidaten zu widersprechen. Der Aufsichtsrat lehnte die Vorschläge mit Stellungnahme vom 28.4.2009 ab. Am 14.5.2009 berief er den Geschäftsführer der Beteiligten zu 2 als Vorstand der Gesellschaft ab und kündigte dessen Anstellungsvertrag außerordentlich. Am selben Tag sagten Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam die für den 18.5.2009 einberufene ordentliche Hauptversammlung am 14.5.2009 ab.
Mit Schreiben vom 25.5.2009 verlangte die Beteiligte zu 2 unter Vorlage einer Depotbescheinigung und Angabe einer Tagesordnung die unverzügliche Einberufung einer Hauptversammlung. Mit ad-hoc-Mitteilung vom 15.6.2009 kündigte die Gesellschaft an, dem Einberufungsverlangen nachzukommen und für den 29.9.2009 die ordentliche Hauptversammlung einzuberufen; die Tagesordnung werde die Gesellschaft innerhalb der gesetzlichen Fristen bekanntgeben, wobei sämtliche geforderten Tagesordnungspunkte der Beteiligten zu 2 berücksichtigt würden. Am 18.6.2009 wurde - ohne Tagesordnung - die Einberufung zur ordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft für den 29.9.2009 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht. Mit Schreiben vom 19.6.2009 an die Vorstände beanstandete die Beteiligte zu 2 die Terminierung und forderte eine Hauptversammlung noch im Juli. Der Vorstand wies die Vorhaltungen zurück.
Am 23.6.2009 beantragte die Beteiligte zu 2 beim Registergericht die Bestellung eines Mitglieds des Aufsichtsrats, weil die Amtszeit von B. abgelaufen sei, und schlug hierfür ihren Geschäftsführer vor. Nach Anhörung der Gesellschaft wies das Registergericht den Antrag mit Beschluss vom 16.7.2009 zurück mit der Begründung, die Amtszeit für Aufsichtsratsmitglieder sei nicht mit der Einberufungsfrist verknüpft. Die Beschlussfähigkeit einer "verspätet" einberufenen Hauptversamm...