Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Bedeutung der Volljährigenadoption
Leitsatz (amtlich)
Bei der Volljährigenadoption ist deren Bedeutung für die unmittelbar Beteiligten abzuwägen mit den materiellen und immateriellen Interessen von Kindern des Annehmenden. Die hierfür erforderliche umfassende Gesamtabwägung verbietet es, in diesen Fällen die Adoption eines Erwachsenen nur ausnahmsweise zuzulassen und gleichsam dem ersten Anschein nach ein regelmäßiges Überwiegen der Kindesinteressen nach § 1769 BGB anzunehmen (Aufgabe von BayObLGZ 1985, 25/28, FamRZ 1994, 419/420).
Normenkette
BGB § 1767 Abs. 1, § 1769
Verfahrensgang
AG Wolfratshausen (Beschluss vom 07.06.2010) |
Tenor
1. Der Beschluss des AG Wolfratshausen vom 7.6.2010 wird aufgehoben.
2. Der Antragsteller zu 1) Nikolaus M. nimmt den Antragsteller zu 2) Kaspar M. als Kind an, §§ 1767, 1770 BGB
3. Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Der Verfahrenswert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der ledige Antragsteller zu 1) ist der Onkel des Antragstellers zu 2) und der nichteheliche Vater der Beteiligten.
Erfüllte sich mit deren Geburt auch ein lang gehegter Kindeswunsch ihrer Mutter und des Antragstellers zu 1), so lebten diese doch zu keinem Zeitpunkt in familiärer Gemeinschaft zusammen. Die Beteiligte wuchs bei ihrer Mutter auf, betrieb vom 05. bis 16. Lebensjahr Skileistungssport, legte im Jahr 1999 die Abiturprüfung mit der Durchschnittsnote 1,2 ab und beendete ihr Informatikstudium im Februar 2005 ebenfalls mit Auszeichnung. Seither arbeitet sie als Software-Entwicklerin in einem international tätigen Medizintechnikunternehmen. Insbesondere während der Kindheit besuchte die Beteiligte den Antragsteller zu 1) regelmäßig auf dessen Bauernhof. Auch in Ferienzeiten kam es nicht zu Übernachtungen bei dem Vater, was jedoch den elterlichen Beziehungen geschuldet und nicht Ausdruck mangelnder Bindung der Beteiligten zu dem Antragsteller zu 1) war. Dieser leistete ihr bis zur Volljährigkeit Mindestunterhalt und unterstützte insbesondere ihre sportliche Betätigung auch finanziell.
Der Antragsteller zu 2) ist das jüngste von drei Kindern des Bruders des Antragstellers zu 2). Sowohl der Bruder als auch die Schwester des Antragstellers zu 2) sind verheiratet und haben Berufe außerhalb der Landwirtschaft erlernt. Der Antragsteller zu 2) selbst ist Zimmerer, hat zusätzlich im Sommer 2010 erfolgreich die Prüfung als Landwirt abgelegt und bildet sich im Bereich der Waldwirtschaft fort. Von klein auf hat er den größten Teil seiner Freizeit auf dem Hof des Antragstellers zu 1) verbracht und ist diesem bei den alltäglichen Verrichtungen - entsprechend seinen jeweiligen altersgemäßen Fähigkeiten - zur Hand gegangen. Als der Antragsteller zu 1) im Jahr 2003 unfallbedingt den Hof längere Zeit nicht führen konnte, hat der Antragsteller zu 2) seine berufliche Arbeitszeit so umgestellt, dass er die Landwirtschaft gemeinsam mit der Lebensgefährtin des Antragstellers zu 1) fortführen konnte. Die Antragsteller zu 1) und 2) sehen ihre Beziehung als Vater-Sohn-Verhältnis an, das durch gleich gerichtete Interessen, gegenseitiges Vertrauen und die Bereitschaft zur Unterstützung geprägt wird.
Für alle Beteiligten stand schon seit längerem fest, dass der Antragsteller zu 2) den Hof übernehmen und fortführen sollte. Die Antragsteller wollen ihrem langjährigen, seit der Kindheit des Antragstellers zu 2) bestehenden engen Verhältnis nun einen rechtlichen Rahmen verleihen. Der Antragsteller zu 1) möchte, dass dem Antragsteller zu 2) nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten erwachsen, und dies deutlich wird. Mit einem Hofübergabevertrag mit Leibgeding erscheint ihm dies nicht in gleicher Weise zu verwirklichen, da durch die Annahme als Kind die auch sittliche Verpflichtung stärker in den Vordergrund rückt. Der Antragsteller zu 2) hat zwar ein gutes Verhältnis zu seiner leiblichen Familie, sieht die engste Beziehung jedoch in seinem Verhältnis zu dem Antragsteller zu 1), mit dem er auch private Dinge bis hin zu Beziehungsproblemen besprechen kann.
Die Beteiligte stellt die sittliche Rechtfertigung der Adoption in Frage und sieht ihre Rechte unangemessen benachteiligt. Darüber hinaus hat sie das Verhalten des Antragstellers zu 1) vor und während des Adoptionsverfahrens zutiefst gekränkt. Sie empfindet das Vertrauensverhältnis zu ihm insbesondere dadurch zutiefst erschüttert, dass er noch zu dem Zeitpunkt, als das gerichtliche Verfahren bereits lief, ihr gegenüber lediglich von einer angedachten Adoption gesprochen habe, die aus Gründen der Hofübergabe erforderlich sei. Auch bei dem vom Antragsteller zu 1) als Ausgleich für ihre durch die Adoption geschmälerten Erb- und Pflichtteilsrechte beabsichtigten Hausbau hält sie in erster Linie dessen Interessen für maßgebend. Die mangelnde Wertschätzung ihrer - weit über den Durchschnitt herausragenden - schulischen und akademischen Leistungen durch den Antragsteller zu 1) und dessen fehlende Offenheit ihr geg...