Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Feststellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen Annehmendem und einem erwachsenen Anzunehmendem
Leitsatz (amtlich)
1. Besteht zwischen Annehmendem und Anzunehmendem bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis, so ist unwiderleglich vom Vorliegen sittlicher Rechtfertigung auszugehen und durch Ausspruch der Annahme das bislang nur faktische Eltern-Kind-Verhältnis rechtlich zu flankieren. Dabei ist es unerheblich, aus welchen Motiven die Beteiligten diese rechtliche Flankierung anstreben; in diesem Fall des Bestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses dürfen auch rein wirtschaftliche Gründe eine Rolle spielen.
2. Für ein bereits bestehendes Eltern-Kind-Verhältnis kommt es entscheidend auf die Herstellung eines sozialen Familienbandes an, das seinem Inhalt nach dem durch die natürliche Abstammung geschaffenen Band ähnelt, das unter Erwachsenen wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand geprägt ist, den sich leibliche Eltern und Kinder typischerweise gegenseitig leisten. Nicht erforderlich ist, dass die Beteiligten zusammenleben. Doch sollte ihre räumliche Zuordnung so gestaltet sein, dass eine Begegnungs- und Beistandsgemeinschaft gelebt werden kann.
3. Das familienbezogene Motiv muss entscheidender Anlass für die Annahme sein. Nebenzwecke schaden hierbei nicht, solange der familienbezogene Zweck überwiegt. Hierbei müssen die Motive der Beteiligten im Rahmen einer Anhörung festgestellt und gegeneinander abgewogen werden. Dabei kann die Motivation der Annehmenden bei der ersten Adoption des weiteren Beteiligten zwar keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Beurteilung der sittlichen Rechtfertigung der nunmehr beantragten Adoption haben, sie kann jedoch im Rahmen einer Gesamtschau aller relevanten Umstände als Indiz herangezogen werden
3. Die Annahme eines Volljährigen darf nicht ausgesprochen werden, wenn ihr überwiegende Interessen der Kinder des Annehmenden oder des Anzunehmenden entgegenstehen. Danach sind die materiellen und immateriellen Interessen der Kinder dem Wert und der Bedeutung der Adoption für die unmittelbar Beteiligten gegenüberzustellen und abzuwägen. Ein regelmäßiges Überwiegen der Kindesinteressen nach § 1769 BGB kann nicht angenommen werden.
Normenkette
BGB § 1767 Abs. 1, § 1769; FamFG § 58
Verfahrensgang
AG Dachau (Beschluss vom 14.06.2019; Aktenzeichen 001 F 162/18) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Annehmenden wird der Beschluss des Amtsgerichts Dachau vom14.06.2019 wie folgt geändert:
Der am 12.02.1986 geborene O. S. wird als gemeinsames Kind von Herrn O. G. und von Frau O. M. angenommen. Die Adoption folgt aus § 1767 BGB.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 450.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Annehmenden verfolgen mit ihrer Beschwerde ihren gestellten Adoptionsantrag weiter.
Die Annehmenden sind seit 1973 in kinderloser Ehe verheiratet. Mit Beschluss des Amtsgerichts Dachau vom 28.5.2009 adoptierten sie den weiteren Beteiligten A. M. -O., der der Neffe und das Patenkind der Annehmenden ist. Entgegen den Erwartungen der Annehmenden zog dieser nicht zu ihnen auf dem Hof, so dass es im Jahr 2015 zu einem Zerwürfnis zwischen ihnen kam. Am 4.2.2016 beantragten die Annehmenden daher im Verfahren 1 F 109/16 die Adoption des nunmehrigen Anzunehmenden, die durch Beschluss des Amtsgerichts Dachau vom 25.4.2016 mit der Begründung zurückgewiesen wurde, es bestehe kein Eltern-Kind-Verhältnis und es sei auch nicht mit dem künftigen Entstehen eines solchen zu rechnen. Rechtsmittel gegen diesen Beschluss wurden nicht eingelegt.
Am 26.2.2018 beantragten die Annehmenden und der Anzunehmenden erneut die Adoption des Anzunehmenden. Sie trugen vor, dass der Annehmende mit seiner Lebensgefährtin seit August 2015 unmittelbar neben den Annehmenden wohne. Zu seinen Gunsten sei eine Patientenverfügung und eine Generalvollmacht erteilt worden. Er unterstütze die Annehmenden in der Landwirtschaft und in der Forstwirtschaft. Es finde täglicher Kontakt und gemeinsame Feiern statt. Es bestünde auch ein gutes Verhältnis zur Lebensgefährtin des Anzunehmenden. Deren gemeinsames Kind werde von den Annehmenden wie ein Enkelkind behandelt. Im Oktober 2017 hätten die Annehmenden und der Anzunehmende die Wohnungen getauscht, damit die junge Familie über mehr Wohnraum verfügen könne.
Mit Schriftsatz vom 20.11.2018 wendet sich der weitere Beteiligte und bisherige Adoptivsohn gegen die Adoption. Er bestreitet das Bestehen einer Eltern-Kind-Beziehung zwischen den Beteiligten und beruft sich darauf, dass der Adoption seine wirtschaftlichen Interessen entgegenstehen.
Das Familiengericht hat am 21.11.2018 die Eltern des Anzunehmenden, am 18.1.2019 den weiteren Beteiligten und dessen Lebensgefährtin sowie am 20.2.2019 die Annehmenden, den Anzunehmenden und dessen Lebensgefährtin angehört.
Mit Beschluss vom 14.6.2019 hat das Amtsgericht den Ado...