Leitsatz (amtlich)
1. Zur Löschung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ("Bau- und Gewerbebetriebsbeschränkung"), die im Jahr 1920 zugunsten einer im Jahr 1930 im Register gelöschten Genossenschaft bestellt worden war.
2. Der Grundsatz, dass allein für die erstrebte Beseitigung einer Buchposition eine Nachtragsliquidation stattzufinden hat, lässt in engen Grenzen Ausnahmen zu.
Normenkette
BGB §§ 1059a, 1061, 1092 Abs. 2; GBO §§ 19, 22 Abs. 1
Verfahrensgang
AG München - Grundbuchamt (Beschluss vom 02.03.2016) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des AG München - Grundbuchamt - vom 2.3.2016 aufgehoben.
II. Das AG München - Grundbuchamt - wird angewiesen, auf den Antrag der Beteiligten die im Grundbuch des AG München von... Bl ... - FlSt... - eingetragene "beschränkt persönliche Dienstbarkeit - Bau- und Gewerbebetriebsbeschränkung -" zu Gunsten des Bauvereins M.-eGmbH in München (Abteilung II/1) zu löschen.
Gründe
I. Die Beteiligte ist in Erbengemeinschaft als Eigentümerin eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Die Zweite Abteilung (lfde Nr. 1) enthält derzeit noch eine "beschränkt persönliche Dienstbarkeit - Bau- und Gewerbebetriebsbeschränkung" - zu Gunsten eines Bauvereins ("eGmbH") in München, die unter Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung vom 17.2.1920 am 6.3.1920 eingetragen worden war.
Die Eintragungsbewilligung lautet (Abschnitt IV. der Urkunde vom 17.2.1920):
Im Interesse der Erzielung einer gleichheitlichen Bebauung verpflichtet sich Käufer für sich und seine Rechtsnachfolger das gekaufte Grundstück nur mit solchen Bauwerken jeder Art zu bebauen, deren Pläne die Genehmigung des Bauvereins ... eGmbH (= Verkäuferin) gefunden haben.
Es wird ferner vereinbart, dass im Falle einer Bebauung das Kaufsgrundstück nur nach Staffel IX der Münchener Staffelbauordnung bebaut werden darf, ferner dass die aus dem noch zu genehmigenden Baulinienplan ersichtlichen Mindestpavillonabstände genau eingehalten werden müssen und nur mit Zustimmung des Bauvereins ... eGmbH abgeändert werden dürfen.
Käufer verpflichtet sich weiter für sich und seine Rechtsnachfolger auf dem gekauften Grundstück keine Gast-, Schank-, Kaffeewirtschaft oder Ladengeschäft zu errichten, zu betreiben oder betreiben zu lassen, ferner keine gewerblichen oder industriellen Betriebe zu errichten, durch die die Nachbarschaft durch Geräusch oder Geruch belästigt wird.
Käufer belastet das Kaufgrundstück zu Gunsten des Bauvereins ... eGmbH im Sinne der vorstehenden Verpflichtungen mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und bewilligt und beantragt die Eintragung ...
Soweit für das Beschwerdeverfahren noch erheblich hat die Beteiligte am 3.9./6.11.2015 mit Zustimmung der weiter eingetragenen Miterbin Antrag auf Löschung der Dienstbarkeit gestellt. Das Recht sei obsolet. Der Bauverein sei im Handelsregister nicht vermerkt, er sei untergegangen. In Grundbüchern der Nachbargrundstücke seien gleichlautende Beschränkungen längst gelöscht worden.
Nach dem zu den Grundakten gelangten Auszug aus dem Genossenschaftsregister wurde der Berechtigte als "Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht" am 4.11.(12.?)1919 eingetragen. Weiter ist festgehalten, dass die Generalversammlung vom 3.4.1929 die Auflösung der Genossenschaft beschlossen hat. Ihr Erlöschen ist unter dem 22.8.1930 eingetragen und das Register damit abgeschlossen worden.
Das Grundbuchamt hat den Standpunkt vertreten, dass die Auflösung der juristischen Person nicht deren Erlöschen belege; erloschen sei sie erst mit Beendigung der Liquidation. Deshalb sei die Löschungsbewilligung des Nachtragsliquidators vorzulegen. Das Recht sei noch an anderen Blattstellen eingetragen. Nach Ablauf der in entsprechender Zwischenverfügung erfolglos gesetzten Frist hat das Grundbuchamt schließlich am 2.3.2016 den Eintragungsantrag zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des anwaltlichen Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin vom 11.4.2016 mit dem Antrag, das Grundbuchamt zur Löschung des Rechts ohne vorherige Bewilligung durch einen Nachtragsliquidator anzuweisen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Staatskasse aufzuerlegen.
Die Beteiligte meint, die Dienstbarkeit habe eine längst überholte Bau- und Gewerbebetriebsbeschränkung betroffen, die für alle Grundstücke des parzellierten "M.-Geländes" gegolten habe. Bei den meisten Grundstücken sei die Dienstbarkeit nach 1930 gelöscht worden, ohne dass ein Nachtragsliquidator bestellt worden sei. Die Dienstbarkeit existiere seit Auflösung der Genossenschaft nicht mehr. Der Zweck der Liquidation erfordere den Fortbestand der juristischen Person hier nicht; das fragliche Recht könne nicht zu Geld gemacht und unter den Genossen verteilt werden. Schließlich wisse das Grundbuchamt auch von der Löschung solcher Rechte an benachbarten Grundstücken ohne Nachtragsliquidation. Im Übrigen sei die durch Dienstbarkeit gesicherte privatrechtliche Nutzungsbeschränkung längst durch öffentliches Baurecht abgelöst worden.
Das Grundbuc...