Leitsatz (amtlich)
1. Hat das Grundbuchamt Erkenntnisse, dass die vorgelegte Ausfertigung der Vollmacht dem Vollmachtgeber abhanden gekommen ist, kann diese Urkunde einen Rechtsschein i.S.v. § 172 BGB nicht vermitteln.
2. Einer Vollmachtsurkunde hat sich der Aussteller auch dann nicht von sich aus entäußert, wenn die betreffende Ausfertigung erteilt wurde, ohne dass die urkundenrechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben waren, so etwa dann, wenn der Notar über die Anweisung gemäß § 51 Abs. 2 BeurkG hinaus eine weitere Ausfertigung erteilt hat.
Normenkette
BGB § 172; BeurkG § 51; GBO § 29
Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 16.04.2009; Aktenzeichen 13 T 6230/09) |
AG München |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 16. April 2009 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 2 hat der Beteiligten zu 1 die im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 40.000 € festgesetzt.
Gründe
I. Mit notarieller Urkunde vom 20.5.1994 unterbreitete der Beteiligte zu 2 der Beteiligten zu 1, seiner späteren Ehefrau, ein Vertragsangebot auf unentgeltliche Übertragung von Wohnungs- und Teileigentum. Der Beteiligte zu 2 erteilte der Beteiligten zu 1 zugleich unter Befreiung von § 181 BGB in unwiderruflicher Weise Vollmacht, die Auflassung für das Wohnungs- und Teileigentum auf sich zu erklären und die zur Eintragung der Eigentumsänderung notwendigen grundbuchrechtlichen Erklärungen abzugeben.
Die Beteiligte zu 1 sollte eine Ausfertigung und der Beteiligte zu 2 eine beglaubigte Abschrift der Urkunde erhalten.
Mit notarieller Urkunde vom 2.8.2007 nahm die Beteiligte zu 1 das Vertragsangebot an und erklärte zugleich in Ausübung der in dem Angebot enthaltenen Auflassungsvollmacht namens des Veräußerers und im eigenen Namen als Erwerberin die Einigkeit darüber, dass das Eigentum an dem bezeichneten Wohnungs- und Teileigentum auf sie übergehen solle. Bei der Beurkundung lag eine am 7.6.1994 beglaubigte und dem Beteiligten zu 2 erteilte Abschrift der Urkunde vom 20.5.1994 vor.
Am 11.12.2007 beantragte die Beteiligte zu 1 die Eintragung des Eigentumsübergangs in das Grundbuch. Auf Zwischenverfügung des Grundbuchamts legte die Beteiligte zu 1 am 22.2.2008 eine ihr am 18.2.2008 erteilte Ausfertigung der Urkunde vom 20.5.1994 vor. Mit einer weiteren Zwischenverfügung vom 26.2.2008 wies das Grundbuchamt die Beteiligte zu 1 darauf hin, dass es am Fortbestehen der Vollmacht zum Zeitpunkt der Auflassungserklärung zweifle. Zum Vollzug der Eigentumsumschreibung sei daher die Zustimmung des Eigentümers in der Form des § 29 GBO erforderlich.
Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1 hob das Landgericht mit Beschluss vom 8.9.2008 die Zwischenverfügung auf und gab die Sache an das Grundbuchamt zurück. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 verwarf der Senat mit Beschluss vom 8.11.2008 als unzulässig (34 Wx 084/08).
Die Beteiligte zu 1 wurde am 3.3.2009 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen.
Mit Schreiben vom 5.3.2009 hat der Beteiligte zu 2 u.a. gegen die Eintragung beschränkte Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, das Grundbuchamt anzuweisen, zu seinen Gunsten im Grundbuch einen Amtswiderspruch einzutragen. Das Grundbuchamt hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 31.3.2009 nicht abgeholfen. Das Landgericht hat am 16.4.2009 die Beschwerde zurückgewiesen. Über die zugleich eingelegte Erinnerung wegen der verweigerten Herausgabe der Ausfertigung vom 18.2.2008 hat es keine eigene Entscheidung getroffen, sondern den Grundbuchrichter als zuständig bezeichnet. Gegen den landgerichtlichen Beschluss richtet sich die am 25.5.2009 zu Rechtspflegerprotokoll eingelegte weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. Dieser beruft sich im Wesentlichen darauf, dass er als Vollmachtgeber die Bestimmung, der Beteiligten zu 1 eine Ausfertigung der Urkunde zu erteilen, widerrufen habe. Die Ausfertigung vom 18.2.2008 hätte demzufolge nicht mehr erteilt werden dürfen. Der Rechtsscheintatbestand des § 172 Abs. 1 BGB sei nicht erfüllt.
II. Maßgeblich ist gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-Reformgesetz das bis 1.9.2009 geltende Verfahrensrecht.
Die weitere Beschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung über die Eintragung des Amtswiderspruchs ist statthaft und zulässig (§§ 78, 80 Abs. 1 und 3, § 73 Abs. 2 GBO). Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens bildet nicht die ebenfalls begehrte Urkundenherausgabe. Insoweit fehlt es bereits an einer Beschwerdeentscheidung.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Ein Widerspruch wäre unter den Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO von Amts wegen einzutragen. Die Gesetzesverletzung müsse feststehen; die Unrichtigkeit des Grundbuchs müsse glaubhaft sein. Maßgebend für das Vorliegen einer objektiven Gesetzesverletzung seien die dem Grundbuchamt zur Zeit der Eintragung unterbreitete Sachlage und die zu dieser Zeit b...