Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit der Ausschlagung, Ausschlagungserklärung, Anfechtung der Ausschlagung, Wirkung der Ausschlagung, notarielle Urkunden, Motivirrtum, Anfechtungsberechtigte, Gesetzliche Erbfolge, Rechtsfolgen, Miterben, Erbscheinsantrag, Entscheidungserhebliche Rechtsfrage, Willenserklärungen, Anfechtungsgründe, Anfechtung der Erbausschlagung, Nächstberufener, Kostenentscheidung, Rechtsstellung, Beteiligte, Gerichtskosten
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 26.01.2021; Aktenzeichen 619 VI 15303/20) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 26.01.2021, Az. 619 VI 15303/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Beteiligte zu 2) trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Festsetzung des Geschäftswerts bleibt vorbehalten.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 2) wendet sich mit der Beschwerde gegen die Zurückweisung seines Erbscheinsantrags durch das Amtsgericht.
Der Beteiligte zu 2) ist das einzige Kind der am ...2020 verstorbenen Erblasserin. Der Beteiligte zu 1) ist deren Ehemann. Die Beteiligte zu 3) ist das einzige Kind der bereits vorverstorbenen Mutter der Erblasserin.
Der Beteiligte zu 1) nahm die Erbschaft an. Mit notarieller Urkunde vom 23.11.2020 schlug der Beteiligte zu 2) die Erbschaft aus. Zugleich erklärte er in dieser Urkunde zusammen mit seiner Ehefrau N. R. auch für den gemeinsamen minderjährigen Sohn die Ausschlagung.
Nachdem das Amtsgericht dem Beteiligten zu 1) sodann mitteilte, es müsse nunmehr prüfen, ob neben dem Ehegatten noch Erben 2. Ordnung vorhanden sind, erklärten der Beteiligte zu 2) und seine Ehefrau mit notarieller Urkunde vom 15.12.2020 die Anfechtung der Ausschlagungen wegen Irrtums. Ziel der Erbschaftsausschlagungen sei gewesen, dass der Erbteil des Beteiligten zu 2) auf dessen Vater, also den Beteiligten zu 1) übergeht. Eine Aufklärung des Notars darüber, dass bei Vorhandensein von Erben zweiter Ordnung oder von Großeltern der Beteiligte zu 1) nicht Alleinerbe werde, sei nicht erfolgt.
Der Notar erklärte dazu in der Urkunde wörtlich "Ich, der amtierende Notar, bestätige die vorstehenden Ausführungen vollinhaltlich. Ich habe das gesetzliche Erbrecht der Erben zweiter Ordnung und von Großeltern im vorliegenden Fall schlicht übersehen".
Zugleich wurde mit der notariellen Urkunde die Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu je ½ für den Beteiligten zu 1) und 2) beantragt.
Das Amtsgericht - Nachlassgericht - München wies den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2) mit Beschluss vom 26.01.2021 zurück. Die Anfechtung der Ausschlagungserklärung sei mangels Anfechtungsgrundes unwirksam. Der Ausschlagende sei sich darüber im Klaren gewesen, dass er mit der Ausschlagung sein Erbrecht verliere. Durch fehlerhafte Aufklärung sei er davon ausgegangen, dass aufgrund der Ausschlagung der Beteiligte zu 1) Alleinerbe werde. Der Irrtum eines Miterben, dass sein Erbteil durch die Ausschlagung einem anderen Miterben zufalle, stelle lediglich einen unbeachtlichen Motivirrtum dar.
Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte durch notariellen Schriftsatz vom 24.02.2021 Beschwerde ein. Das Amtsgericht habe sich bei seiner Entscheidung zu Unrecht auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 04.08.2009 (= NJW 2010, 687) berufen. Diese Entscheidung habe das Oberlandesgericht wiederum auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf FamRZ 1997, 905 gestützt. Das OLG Düsseldorf vertrete diese Auffassung zwischenzeitlich nicht mehr (OLG Düsseldorf ZEV 2018, 85). Vielmehr vertrete es nunmehr die Auffassung, dass zu den unmittelbaren und wesentlichen Wirkungen der Ausschlagung auch gehöre, dass die Rechtsstellung des Erben dem Nächstberufenen anfällt. Auch in der einschlägigen Kommentarliteratur werde mittlerweile diese Auffassung vertreten.
Das Amtsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 16.04.2021 nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vor.
Mit Schriftsatz vom 15.03.2021 zeigte der Notar die mit notarieller Urkunde erfolgte schenkweise Überlassung des Erbteils, der im Falle der Unwirksamkeit der Anfechtung der Beteiligten zu 3) zufallen würde, an den Beteiligten zu 1) an.
Der Senat wies die Beteiligten mit Beschluss vom 15.06.2021 auf die Entscheidungen KG ZEV 1010, 152 und OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2021, 800 hin.
Der Beschwerdeführer vertiefte sein Beschwerdebegründung sodann mit Schriftsatz vom 30.06.2021. Auf die Streitfrage einer sogenannten lenkenden Ausschlagung wegen Inhaltsirrtums komme es für die Entscheidung über den Erbscheinsantrag nicht an. Die hier zu beurteilenden Ausschlagungen seien schon deshalb unwirksam, weil sie unter der zulässigen Gegenwartsbedingung erfolgt seien, dass die Erbschaft infolge der Ausschlagungen dem Beteiligten zu 1) anfalle. § 1947 BGB stehe dem nicht entgegen.
Halte man dagegen die Ausschlagungen für wirksam, müsse man der im Vordringen befindlichen Auffassung den Vorzug geben. Danach sei die Anfechtung der Ausschlagung immer ...