Leitsatz (amtlich)

Erfolglose Ablehnung eines Sachverständigen im Spruchverfahren, die im Wesentlichen auf dessen wissenschaftliche Veröffentlichung gestützt wird.

 

Normenkette

FGG § 15; ZPO § 406

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 26.05.2011; Aktenzeichen 5HK O 16202/03)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluss des LG München I vom 26.5.2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerinnen haben den Antragstellern die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. In dem seit August 2003 anhängigen Spruchverfahren wurde der Wirtschaftsprüfer S. zum Sachverständigen bestellt. Dieser wies mit Schreiben vom 30.9.2006 darauf hin, dass er für bankspezifische Fragen einen auf diesem Gebiet tätigen Hochschullehrer als weiteren Mitwirkenden herbeiziehen werde. An dem schriftlichen Gutachten vom 5.2.2010 wirkten ausweislich der Rechnung die Professoren Dr. Sch. und Dr. St. mit, ebenso an der ergänzenden Stellungnahme vom 4.2.2011, die sich insbes. mit den Einwendungen der Antragsteller und der Antragsgegnerinnen auseinandersetzt. Im Literaturverzeichnis des Gutachtens vom 5.2.2010 (S. 210) und der ergänzenden Stellungnahme vom 4.2.2011 (S. 91) ist jeweils der Mitte 2010 in einer Fachzeitschrift erschienene Aufsatz aufgeführt, der sich mit der "Planung des Eigenmittelbeitrags als Teil des Zinsüberschusses" befasst und weitgehend mit den Ausführungen zu dieser Thematik im Gutachten übereinstimmt; als Mitautoren sind neben anderen die Professoren Dr. Sch. und Dr. St. genannt. Im Anhörungstermin vom 26.5.2011 wurde der Gutachtensauftrag auf die beiden Hochschullehrer erweitert. Die Antragsgegnerinnen lehnten sie daraufhin im Hinblick auf die Veröffentlichung als befangen ab. Das LG wies den Befangenheitsantrag zurück. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerinnen. Sie tragen insbes. vor, die veröffentlichte Abhandlung betreffe den Eigenmittelbeitrag, der den Unternehmenswert maßgeblich bestimme, und sei insbes. hinsichtlich der dargestellten Szenarien methodisch identisch und inhaltlich parallel zu den gutachtlichen Ausführungen. Mit der Veröffentlichung der am konkreten Fall orientierten Studie seien die Sachverständigen eine Selbstbindung eingegangen, die ihnen eine unbefangene Auseinandersetzung mit den Einwänden der Antragsgegnerinnen nicht mehr erlaube. Zudem seien die Ausführungen unausgewogen und zeigten, dass es ihnen nur noch um die Verteidigung der wissenschaftlichen Veröffentlichung gehe. Mit Schriftsatz vom 3.8.2011 verweisen die Beschwerdeführerinnen ergänzend darauf, dass im Parallelverfahren betreffend die Verschmelzung der drei Vorgängerinstitute der auch dort zum Sachverständigen bestellte Wirtschaftsprüfer S. zu einem Termin am 20.7.2011 bei der von der Antragsgegnerin zu 1 eingeschalteten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ohne vorherige Ankündigung Prof. Dr. Sch. mitgebracht und - nachdem die Antragsgegnerin dessen Anwesenheit abgelehnt habe - mit diesem den Raum verlassen habe. Der Wirtschaftsprüfer S. habe sich widerstandslos dem Verdikt des als Sachverständigen gar nicht benannten Prof. Dr. Sch. unterworfen, wonach alle den Raum verlassen würden; seine Rolle erschöpfe sich in der eines bloßen Sprachrohrs der Professoren Dr. Sch. und Dr. St..

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 327f Abs. 2 Satz 2, § 306 Abs. 2, § 99 Abs. 1 AktG a.F. i.V.m. § 22 FGG, Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG). Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FGG i.V.m. § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, also auch wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 42 ZPO). Für die Annahme der Befangenheit müssen objektive Gründe vorliegen, die nach Meinung eines ruhig und vernünftig denkenden Beteiligten Anlass geben, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu hegen (vgl. OLG Düsseldorf AG 2006, 754; Keidel/Schmidt, FGG, 15. Aufl., § 15 Rz. 50 m.w.N.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 406 Rz. 7). Bedenken eines Beteiligten hinsichtlich der fachlichen Eignung des Sachverständigen sind hingegen nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. OLG Düsseldorf AG 2001, 533). Dasselbe gilt für behauptete oder tatsächliche Mängel des Gutachtens (Wieczorek/Schütze/Ahrens, ZPO, 3. Aufl., § 406 Rz. 29; MünchKommZPO/Zimmermann, 3. Aufl., § 406 Rz. 5). Der Streit um die Geeignetheit eines Sachverständigen und um die Richtigkeit des Gutachtens ist eine Frage der Beweiswürdigung des Gerichts. Der Sachverständige darf sich gegen Angriffe gegen seine Sachkunde oder seine Vorgehensweise in sachlicher Weise zur Wehr setzen. Einseitige, herabsetzende Äußerungen zum Vortrag eines Beteiligten oder verletzende Bemerkungen können jedoch die Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl. Stein/Jonas/Leipold, § 406 Rz. 39, 40 m.w...

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