Leitsatz (amtlich)
Ein amtsgerichtliches Verbot an Betreuer, Betroffene ohne gerichtliche Zustimmung in ein anderes Heim zu verlegen, ist regelmäßig unzulässig. Die bei tatsächlicher Gefährdung des Betreutenwohls im Fall eines Aufenthaltswechsels gegebenenfalls gebotene (teilweise) Entlassung des bisherigen Betreuers und die Bestellung eines neuen Betreuers kann nicht dadurch umgangen werden, dass dem Betreuer die eigenverantwortliche Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts untersagt und seine diesbezüglichen Maßnahmen der Entscheidung des Gerichts unterstellt werden. (Abgrenzung zu BGHZ 132, 157, 163 = NJW 1996, 1825/1826).
Normenkette
BGB § 1837 Abs. 2, § 1908b
Verfahrensgang
LG Passau (Beschluss vom 29.09.2009; Aktenzeichen 2 T 63/09) |
AG Passau (Beschluss vom 02.03.2009; Aktenzeichen 1 XVII 372/96) |
Tenor
I. Die Beschlüsse des LG Passau vom 29.9.2009 und des AG Passau vom 2.3.2009 werden aufgehoben.
II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das AG hat die Mutter des Betroffenen am 12.1.1981 zu dessen Pflegerin und nach Überleitung in eine Betreuung am 20.3.1992 zur ehrenamtlichen Betreuerin bestellt. Zuletzt wurde die Betreuung am 3.6.2004 mit dem Aufgabenkreis "Alle Angelegenheiten, inkl. Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Entscheidung über den Fernmeldverkehr" verlängert. Als spätester Überprüfungszeitpunkt wurde der 3.6.2009 bestimmt. Seit dem Jahre 2005 bemüht sich die im Jahre 1940 geborene Betreuerin um die Verlegung ihres Sohnes in eine Einrichtung in ihrer Nähe.
Mit Beschluss vom 2.3.2009 hat das AG der Betreuerin verboten, ohne vorherige Zustimmung des Gerichts den Betroffenen in ein anderes Heim zu verlegen.
Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde der Betreuerin hat das LG am 29.9.2009 zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit ihrer weiteren Beschwerde
II. Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das LG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass ein Wechsel des Heimes dem Wohle des Betroffenen widersprechen würde. Nach der ärztlichen Stel lungnahme der Sachverständigen Dr. B. sei der Betroffene auf Kontinuität, feste Riten und gleichbleibende Bezugspersonen angewiesen. Der behandelnde Arzt Dr. Ba. befürchtete nach einem Wechsel eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheits zustandes mit auto- und fremdaggressiven Verhaltensauffälligkeiten. Auch der Sachverständige Dr. Bo. bestätigte diese Einschätzungen, hielt aber eine Eingewöhnung des Betroffenen für möglich (nicht aber eine Prognose zur Dauer der Umgewöhnungszeit).
Der Kammer erscheine deshalb ein Heimwechsel für den Betroffen nicht zumutbar. Die Nachteile würden durch von der Betreuerin erwartete Vorteile (namentlich häufigere Verwandtenkontakte) nicht aufgewogen.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.
a) Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten zu dessen Wohl zu besorgen (§ 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB). Im Rahmen seines Aufgabenkreises führt der Betreuer die Betreuung selbständig und eigenverantwortlich (BayObLGZ 1999, 117/119; Stau-dinger/Bienwald BGB Neubearbeitung 2006 § 1908i Rz. 175). Gemäß § 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1837 Abs. 2 Satz 1 BGB hat das Vormundschaftsgericht über die gesamte Tätigkeit des Betreuers die Aufsicht zu führen und gegen Pflichtwidrigkeiten durch geeignete Gebote und Verbote einzuschreiten. Nicht statthaft nach § 1837 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Teilentzug eines Aufgabenbereichs (MünchKomm/Wagenitz BGB, 5. Aufl., § 1837 Rz. 19; Staudinger/Engler BGB § 1837 Rz. 44). Auch kann im Rahmen des § 1837 Abs. 2 BGB das Vormundschaftsgericht nicht selbst an Stelle des Betreuers handeln (MünchKomm/Wagenitz, a.a.O.).
b) Die Entscheidung des LG berücksichtigt diese rechtlichen Grundsätze nicht hinreichend. Mit dem Verbot eines Aufenthaltswechsels ohne gerichtliche Zustimmung entzieht das Gericht faktisch der Betreuerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht und setzt sich bei der Entscheidung über den Aufenthalt an ihre Stelle. Eigene Entscheidungen des Gerichts sind jedoch nur gem. § 1846 BGB rechtlich zulässig, dessen Voraussetzungen unzweifelhaft nicht vorliegen, da eine Betreuerin bestellt und sie auch nicht verhindert ist.
c) Zwar sind auch bezüglich der Aufenthaltsbestimmungen einzelne Gebote und Verbote möglich, etwa den Aufenthalt in einem für ungeeignet erachteten Heim zu beenden oder auch das Verbot, den Aufenthalt des Betroffenen für eine bestimmte eng begrenzte Zeit etwa bis zur Entscheidung über die Bestellung eines neuen Betreuers mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung zu verändern. Diese Maßnahmen dürfen jedoch dem Betreuer das ihm als Aufgabe übertragene Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht vollständig entziehen. Dem steht auch die Entscheidung des BGH in BGHZ 132, 157, 163 = NJW 1996, 1825/1826 nicht entgegen. Dort hat der BGH in einer nicht tragenden Nebenbemerkung die Möglichkeit bejaht, einem Betreuer, dessen Aufgabenkreis die gesamten Vermögenssorge und die Z...