Leitsatz (amtlich)
Zur Aufklärungspflicht des Tatrichters, wenn zweifelhaft ist, ob bei der gegenüber dem Standesamt abgegebenen Erklärung zur Namensführung eines Kindes auch eine Rechtswahl getroffen wurde.
Verfahrensgang
LG Regensburg (Entscheidung vom 03.02.2009; Aktenzeichen 7 T 10/09) |
AG Regensburg (Aktenzeichen UR III 28/08) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 wird der Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 3. Februar 2009 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.
Gründe
I. 1. Samuel, welcher die deutsche und die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde 2007 als Kind der V. U. und des K. Sch. in R. (Deutschland) geboren. Seine Eltern sind nicht verheiratet; die Kindsmutter (Beteiligte zu 1) ist österreichische Staatsangehörige, sie hat die elterliche Sorge für Samuel seit dessen Geburt alleine inne. Der Kindsvater (Beteiligter zu 2) besitzt ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit. Am 22.1.2007 erteilte die Beteiligte zu 1 dem Kind mit Einverständnis seines Vaters dessen Familiennamen, in der Folge wurde der Familienname des Kindes in das Geburtenbuch des Standesamts R. mit "Sch." eingetragen. Ob die Mutter im Rahmen der Erklärung zur Namenserteilung auch das deutsche Recht als Namensstatut für das Kind gewählt hat, ist zwischen den Beteiligten streitig.
2. Am 19.4.2008 erklärte die Beteiligte zu 1 vor dem Standesamt R. unter Berufung auf Art. 10 Abs. 3 EGBGB, sie wähle das österreichische Recht als Statut für den Familiennamen des Kindes; künftig solle Samuel den Familiennamen der Mutter "U." führen. Das Standesamt hielt diese Rechtswahl an sich für statthaft, insbesondere sei eine solche bislang noch nicht erfolgt, hielt aber im Hinblick auf Art. 23 EGBGB die Zustimmung des Kindsvaters für möglicherweise erforderlich. Nachdem der Vater gegenüber dem Standesamt seine Zustimmung verweigert hatte, legte es den Vorgang gem. § 45 Abs. 2 PStG dem Amtsgericht zur Entscheidung vor. Dieses stellte mit Beschluss vom 24.10.2008 fest, dass die sich aus der Rechtswahlerklärung vom 10.4.2008 ergebende neue Namensführung nicht im Geburtseintrag des Kindes zu vermerken sei. Die Kindsmutter habe bereits im Rahmen ihrer ersten Erklärung zur Namensführung das deutsche Recht gewählt, eine erneute Rechtswahl sei daher nicht statthaft. Die hiergegen von der Standesamtsaufsicht eingelegte Beschwerde wurde durch das Landgericht am 3.2.2009 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren weitere Beschwerde.
II. Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Das Vorliegen einer wirksamen Rechtswahl sei nach deutschem Recht im Wege der Auslegung zu beurteilen. Die Kindsmutter habe am 22.1.2007 im Rahmen der Namenserteilungserklärung zugleich unwiderruflich das deutsche Recht als Namensstatut des Kindes gewählt. Die entsprechende Urkunde enthalte unter der Rubrik "Erklärungen" und "Recht" den Satz, dass für die Namenserteilung das deutsche Recht gelte. Es handele sich hierbei nicht um die bloße Feststellung des kraft Gesetzes geltenden Rechts. Aus dem verwendeten Formular ergäben sich zudem weitere, vom Landgericht im Einzelnen ausgeführte Anhaltspunkte für die von ihm gefundene Auslegung. Da das österreichische Namensrecht nicht vorsehe, dass die unverheiratete Mutter ihrem Kind den Namen des Vaters erteilen kann, sei im Übrigen bereits in der Erteilung des Familiennamens "Sch." zugleich die Wahl des deutschen Rechts enthalten gewesen. Zudem komme es auf den objektiven, nicht auf den subjektiven Erklärungsinhalt an. Bei objektiver Betrachtung enthalte die Erklärung vom 22.1.2007 auch die Wahl des deutschen Namensstatuts.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
a) Zutreffend ging das Landgericht davon aus, dass die allein sorgeberechtigte Mutter durch ihre Erklärung vom 10.4.2008 ihr Wahlrecht aus Art. 10 Abs. 3 EGBGB nur dann wirksam ausüben konnte, wenn sie nicht bereits am 22.1.2007 eine Rechtswahl zu Gunsten des deutschen Rechts getroffen hat. Dabei kann offen bleiben, ob man mit der herrschenden Meinung eine nachträgliche Rechtswahl voraussetzungslos und in zeitlicher Hinsicht unbeschränkt - bis zur Grenze der Volljährigkeit des Kindes - zulässt (vgl. Palandt/Thorn BGB 68. Aufl. Art. 10 EGBGB Rn. 20; Henrich/Wagenitz/Bornhofen Deutsches Namensrecht Abschnitt C Rn. 96) oder für eine solche nachträgliche Rechtswahl eine Änderung der Lebensverhältnisse oder Anknüpfungstatsachen und einen gewissen zeitlichen Zusammenhang dazu fordert (vgl. Hepting StAZ 1998, 133/140; jetzt auch mit Fristenvorschlägen Staudinger/Hepting BGB Neubearbeitung 2007 Art. 10 Rn 451 ff.). Eine in zeitlichem Zusammenhang zur nachträglichen Rechtswahl stehende Änderung der Lebensverhältnisse könnte hier darin gesehen werden, dass sich die Eltern getrennt haben und der Kind...