Leitsatz (amtlich)
1.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG nur dann in Betracht kommt, wenn eine Konzentration des Rauschmittels festgestellt wird, die es möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war, ist auch auf Amphetamin anzuwenden.
2.
Eine Ahndung nach § 24a Abs. 2 StVG setzt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht voraus, dass bestimmte Grenzwerte erreicht werden.
3.
Der analytische Grenzwert, ab dem sicher mit dem Auftreten von Ausfallerscheinungen, also mit einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit im Sinn der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu rechnen ist, beträgt für Amphetamin 25 ng/ml.
4.
Wird dieser Grenzwert nicht erreicht, kommt eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG nur in Betracht, wenn Umstände festgestellt werden, aus denen sich ergibt, dass die Fahrtüchtigkeit des Angeklagten trotz der verhältnismäßig niedrigen Betäubungsmittelkonzentration zwar nicht aufgehoben, aber doch eingeschränkt war.
Tatbestand
Mit Strafbefehl verhängte das Amtsgericht gegen den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe. Dem Angeklagten wurde die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein wurde eingezogen. Die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, ihm vor Ablauf von neun Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Auf seinen Einspruch hin verurteilte das Amtsgericht den Angeklagten wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des Fahrens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24a StVG genannten Mittels zur Geldbuße von 250 EUR; außerdem wurde ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Dem Urteil liegen u.a. folgende Feststellungen zugrunde:
1.
Der Angeklagte führte am 23.5.2004 gegen 4.05 Uhr seinen Pkw auf öffentlichem Verkehrsgrund in M., obwohl er unter der Wirkung eines der in der Anlage zu § 24a StVG genannten berauschenden Mittel stand, was er bei Anwendung der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können. Bei der Untersuchung einer dem Angeklagten am 23.5.2004 um 4.52 Uhr entnommenen Blutprobe wurden 5,0 µg/l THC-Carbonsäure und 0,01 mg/l Amphetamin festgestellt.
2.
Mit der Revision rügte der Verteidiger die Verletzung materiellen Rechts. Auf die im Blut nachgewiesene THC-Carbonsäure könne eine Verurteilung nicht gestützt werden, da dieser Stoff nicht in der Liste der berauschenden Substanzen gemäß § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG enthalten sei. Auch der festgestellte Amphetaminwert trage eine Verurteilung nicht. Er liege unterhalb des von der Grenzwertkommission bestimmten analytischen Grenzwerts und sei daher nicht geeignet, die Fahrtüchtigkeit zu beeinträchtigen. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Angeklagten ist als Sprungrevision gemäß §§ 312, 335, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO zulässig. Die angegriffene Entscheidung ist im Strafverfahren ergangen, auch wenn der Angeklagte nur wegen einer Ordnungswidrigkeit verurteilt wurde. Sie kann daher mit den strafprozessualen Rechtsmitteln angefochten werden (vgl. § 82 OWiG; BGHSt 35, 290).
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist auch begründet, da die Feststellungen des Amtsgerichts die Annahme, der Angeklagte habe ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24a StVG genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr geführt, jedenfalls derzeit nicht tragen.
Das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter der Wirkung eines berauschenden Mittels kann zum einen eine Straftat nach § 316 StGB und zum anderen eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG darstellen.
1.
Die Strafbarkeit nach § 316 StGB setzt voraus, dass sich der Täter zum Tatzeitpunkt in einem Zustand befindet, in welchem er nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. § 316 StGB sanktioniert als abstraktes Gefährdungsdelikt die von fahruntüchtigen Fahrzeugführern ausgehende potentielle Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs (Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 316 Rn. 2, 3). Die Fahruntüchtigkeit muss beim Konsum von Betäubungsmitteln anhand konkreter Umstände durch eine umfassende Würdigung der Beweisanzeichen im Einzelfall nachgewiesen werden. Die so genannte absolute Fahruntüchtigkeit als Beweisregel, die keinen besonderen Nachweis verlangt, spielt ausschließlich im Zusammenhang mit der Wirkung von Alkohol (ab der Blutalkoholkonzentration von 1,1 %) eine Rolle. Für die Fahruntüchtigkeit infolge Betäubungsmittelkonsums ist in Rechtsprechung und Literatur nach wie vor die Meinung vorherrschend, dass sich derzeit keine "absoluten" Wirkstoffgrenzen festlegen lassen (Tröndle/Fischer § 316 Rn. 39 m.w.N.).
Eine Strafbarkeit nach § 316 StGB hat das Amtsgericht hier rechtsfehlerfrei verneint, da der Nachweis einer Fahruntüchtigkeit infolge Betäubungsmittelkonsums nicht zu führen war.
2.
Demgegenüber setzt die Ahndung als Ordnungswidrigkeit entgegen der in...