Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltszwang für Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenbeschluss

 

Leitsatz (amtlich)

Besteht für das Verfahren Anwaltszwang, bedarf es, anders als für die Erledigungserklärung nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO selbst, für die Einlegung der sofortigen Beschwerde nach § 91a Abs. 2 S. 1 ZPO einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt.

Lehnt die Partei die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten trotz Hinweises auf den Anwaltszwang ab und erklärt sie stattdessen die mehrere Anträge umfassende Hauptsache ausdrücklich für erledigt und verlangt die Rückzahlung des eingezahlten Gerichtskostenvorschusses, spricht dies dafür, dass eine umfassende Beendigung des Rechtsstreits gewollt ist.

 

Normenkette

ZPO § 91a Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1, § 78 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 321 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG München II (Aktenzeichen 13 O 5279/15 Rae)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts München vom 19.01.2016 wird als unzulässig verworfen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Mit Schriftsatz vom 10.08.2015 erhob die Klägerin zum Amtsgericht Weilheim Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckung aus einem vom Beklagten erwirkten Versäumnisurteil. Gleichzeitig erhob sie Widerklage "wegen des zu Unrecht geforderten Honorars aus 4 C 731/14 mit Rückforderung des gesamten Honorars in Höhe von 21.247,39 EUR".

Am 28.09.2015 konnte der Beklagte seine Forderung aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss befriedigen.

Am 09.11.2015 verwies das Amtsgericht Weilheim das Verfahren an das Landgericht München II.

Auf die Aufforderung des Landgerichts München II gegenüber der Klägerin, binnen zwei Wochen einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung zu beauftragen, antwortete die Klägerin mit Schreiben vom 22.12.2015 (Bl. 87 d. A.):

gemäß ihrem Schreiben ist die Klage vom 10.08.2015 nicht formwirksam erklärt. Es besteht Anwaltszwang. Ein Anwalt wurde und wird nicht beauftragt. Zudem erkläre ich die Erledigung der Hauptsache und bitte um Kostenerstattung der von mir bereits verauslagten Gerichtskosten ..." Anschließend enthält der Schriftsatz Ausführungen dazu, dass die Klage ohne Eintritt der Erledigung zulässig und begründet gewesen wäre.

Mit Verfügung vom 29.12.2015, die auch der Klägerin übersandt wurde, wies das Gericht darauf hin, dass es über die Verfahrenskosten durch Beschluss entscheiden werde, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung nicht binnen zwei Wochen widerspreche (§ 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Der Beklagte erklärte mit Schriftsatz vom 15.01.2016, er widerspreche der Erledigungserklärung nicht und stelle keinen Kostenantrag.

Mit Beschluss vom 19.01.2016 (Bl. 90/91 d. A.), der Klägerin zugestellt am 27.01.2016, erlegte das Landgericht München II der Klägerin gemäß § 91a ZPO die Gerichtskosten des Verfahrens auf und setzte den Streitwert auf 21.247,39 EUR fest.

Die Klägerin führte in einem Schreiben vom 03.02.2016 (Bl. 93 d. A.), eingegangen beim Landgericht München II am 04.02.2016, folgendes aus: "... nach Rücksprache mit einem mir persönlich bekannten Richter (Bayer. Verw. Gericht) liegt hier offenbar ein Missverständnis vor. "Inhaltlich" meiner Vollstreckungsklage ist eine Widerklage anhängig. Für den Teil der Vollstreckungsgegenklage wurde die Erledigterklärung von beiden Parteien vorgebracht. Eine Klagerücknahme betreffend der "inhaltlichen Widerklage" wurde von mir nicht vorgetragen. Demnach ist die Widerklage rechtanhängig".

Der Beklagte nahm mit Schriftsatz vom 17.02.2016 (Bl. 94 d. A.) hierzu Stellung.

Das Landgericht München I behandelte das Schreiben als sofortige Beschwerde der Klägerin und half dieser nicht ab (Beschluss vom19.02.2016 Bl. 95/96 d. A.).

II. Das Landgericht hat das Schreiben der Klägerin vom 03.02.2016 zu Recht als sofortige Beschwerde behandelt. Eine Gehörsrüge war nach den §§ 321a Abs. 1 Nr. 1, 91a Abs. 2 Satz 1 ZPO ausgeschlossen, ebenso eine Gegenvorstellung wegen der Eröffnung der Beschwerdewegs.

Eine erneute Klageerhebung ist nach einer übereinstimmenden Erledigungserklärung zwar denkbar (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO 36. Aufl., § 91a Rn. 50 m. w. N.), doch offenkundig mit dem Schreiben vom 03.02.2016 nicht gewollt, zumal sie die nochmalige Einzahlung der Gerichtsgebühren und die Bestellung eines Prozessbevollmächtigten voraussetzen würde.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht zulässig.

Für die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO besteht anders als für die Erledigungserklärung selbst Anwaltszwang (Zöller/Vollkommer, ZPO 30. Aufl., § 91a Rn. 27 m. w. N.). Die Klägerin hat bewusst auf die Beauftragung eines Rechtsanwalts verzichtet.

Die sofortige Beschwerde wäre aber auch unbegründet.

Das Landgericht hat die Erledigungserklärung vom 22.12.2015 zutreffend als umfassend gewertet.

Die Erledigungserklärung ist als Prozesshandlung grundsätzlich auslegungsfähig, doch enthält das Schreiben der Klägerin keine Einschränkung. Entscheidend ist der objektive, dem Empfänger ver...

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