Leitsatz (amtlich)
1. In einem Erbvertrag kann eine Enterbung nicht in vertragsmäßiger Weise, sondern nur als einseitige Verfügung getroffen werden.
2. Haben sich in einem Erbvertrag die Ehegatten wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt, keinen Schlusserben bestimmt und ferner verfügt, dass der längstlebende Ehegatte seine Verwandten von der gesetzlichen Erbfolge ausschließt und im Übrigen frei verfügen darf, kann bei einer Scheidung der Ehe die ergänzende Testamentsauslegung ergeben, dass der Erblasser seine Verwandten, zu denen er ein dauerhaft schlechtes Verhältnis hatte, auch für den Fall der Scheidung der Ehe von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen wollte.
Normenkette
BGB §§ 1938, 1941, 2077, 2278-2279, 2298-2299
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 28.06.2005; Aktenzeichen 7 T 2984/05) |
AG Erlangen (Aktenzeichen VI 4343/03) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 28.6.2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 187.364 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die 78-jährige Erblasserin verstarb am 8.7.2003; sie hinterließ keine Abkömmlinge. Ihre Ehe wurde im Jahr 1995 geschieden. Die Erblasserin und ihr damaliger Ehemann schlossen am 25.11.1960 einen notariellen Ehe- und Erbvertrag. In dem erbvertraglichen Teil war geregelt, dass sich die Eheleute unter beiderseitiger Annahme vertragsmäßig gegenseitig zu alleinigen und ausschließlichen Erben einsetzen. Der überlebende Erbe sollte in keiner Weise beschwert sein. Am 26.1.1982 schlossen die Erblasserin und ihr Ehemann einen ergänzenden Erbvertrag. In diesem Vertrag wurde auf den Ehe- und Erbvertrag vom 25.11.1960 Bezug genommen. Im Übrigen enthält der Erbvertrag folgende Regelung: Wir ergänzen hiermit den Erbvertrag wie folgt: Der längerlebende Eheteil, gleichgültig wer von uns beiden dies ist, schließt hiermit seine Verwandten von der gesetzlichen Erbfolge aus. Einen Schlusserben (Erben des längerlebenden Eheteils) wollen wir auch heute ausdrücklich nicht bestimmen. Der längerlebende Eheteil kann beliebig verfügen.
Wir erkennen an, vom Notar darauf hingewiesen worden zu sein, dass bei Ableben des längerlebenden Eheteils mangels gesetzlicher Erben der Freistaat Bayern Erbe würde, wenn der Längerlebende keine anderslautende letztwillige Verfügung trifft. Kinder sind aus unserer Ehe nicht vorhanden.
Die Erblasserin hatte einen Bruder, der im Jahr 1998 verstorben ist. Weitere Geschwister hatte sie nicht. Die Beteiligte zu 1) ist einziger Abkömmling des Bruders der Erblasserin. Der Beteiligte zu 2) ist der Fiskus. Die Beteiligte zu 1) beantragte am 6.5.2004 die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist. Sie vertrat die Auffassung, dass nach der Scheidung der Erblasserin die geschlossenen Erbverträge unwirksam seien. Nach Beweisaufnahme wies das Nachlassgericht den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zurück und kündigte an, das Erbrecht des Fiskus festzustellen, sofern nicht gegen diese Entscheidung innerhalb von vier Wochen Beschwerde eingelegt wird. Die Beteiligte zu 1) wandte sich gegen den amtsgerichtlichen Beschl. v. 18.2.2005 mit der durch Anwaltschriftsatz vom 22.3.2005 eingelegten Beschwerde. Das LG hat das Rechtsmittel mit Beschl. v. 28.6.2005 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zu Protokoll der Geschäftsstelle des AG eingelegte weitere Beschwerde vom 18.7.2005.
II. Die weitere Beschwerde ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Das LG hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die wechselseitige Erbeinsetzung des früheren Ehemanns der Erblasserin sei von Gesetzes wegen durch die Scheidung hinfällig geworden. Die Überprüfung der Vertragsklausel, wonach der länger lebende Ehepartner seine Verwandten von der gesetzlichen Erbfolge ausschließt, ergebe, dass es sich hierbei nicht um eine vertragsmäßige Verfügung handle. Deshalb folge aus der Scheidung der Vertragspartner nicht ohne weiteres die Unwirksamkeit der nicht vertragsmäßigen Verfügung. Allerdings sei die erbvertragliche Regelung aus dem Jahr 1982 unklar. Die erbvertragliche Bestimmung des Ausschlusses der Verwandten komme nicht unmittelbar zur Anwendung, da die Erblasserin nicht der länger lebende Ehegatte sei. Andererseits sei für den Fall des Scheiterns der Ehe vor dem Ableben eine erbvertragliche Absprache nicht getroffen worden. Die von den Vertragspartnern getroffene Regelung sei daher auslegungsbedürftig und auch auslegungsfähig. Die Regelung des Ausschlusses der Verwandten des längstlebenden Vertragspartners sei auf den ausdrücklichen Wunsch der Erblasserin aufgenommen worden. Hieraus ergebe sich, dass das Verhältnis der Erblasserin zu ihren Verwandten für die Regelung ausschlaggebend gewesen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme komme die Kammer zu der Erkenntnis, dass die Erblasserin ihre Verwandten unter allen Umständen von der Erbfolge habe ausschließen wollen. Dieser Wille finde in dem Erbvertrag nur einen unvollk...