Leitsatz (amtlich)
Bejaht das Beschwerdegericht die Notwendigkeit der Unterbringung der Betreuten wegen der Gefahr der Selbsttötung und stützt sich hierbei auf ein hinreichend zeitnah erstattetes erstinstanzliches Gutachten, in welchem der psychiatrische Sachverständige die weitere Unterbringung "zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten" befürwortet, ist die Festlegung der Höchstdauer der genehmigten Unterbringung grundsätzlich an dem Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens auszurichten. Das gilt auch dann, wenn bei der zwei Monate danach stattfindenden Anhörung der Betroffenen eine behandelnde Psychologin erneut "den weiteren Bedarf der Unterbringung auf ca. ein halbes Jahr" schätzt.
Normenkette
BGB § 1906 Abs. 1; FGG § 70 f. Abs. 1 Nr. 3, § 71
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 19.09.2006; Aktenzeichen 4 T 3126/06) |
AG Altötting (Aktenzeichen XVII 0203/06) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Traunstein vom 19.9.2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die geschlossene Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik oder einer Pflegeeinrichtung bis längstens 14.1.2007 genehmigt wird.
Gründe
I. Für die Betroffene ist seit 4.8.2000 eine Betreuerin u.a. mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge sowie der Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über Unterbringung einschließlich unterbringungsähnlicher Maßnahmen bestellt.
Die Betroffene hielt sich zwischen April 1999 und Mai 2005 insgesamt 15-mal zu überwiegend mehrwöchigen stationären Behandlungen im Bezirkskrankenhaus H. auf.
Auf Antrag der damaligen Betreuerin genehmigte das AG M. am 30.8.2005 wegen selbstgefährdender Tendenzen die Unterbringung der Betroffenen in der beschützenden Abteilung eines Alten-/Pflegeheims bis längstens 29.8.2006.
Nach einem Zuständigkeitswechsel genehmigte das AG T. aufgrund einer inzwischen eingetretenen akuten Behandlungsbedürftigkeit mit Beschluss vom 6.2.2006 die vorläufige Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis 19.3.2006. Am 9.3.2006 erklärte sich die Betroffene mit einer weiteren stationären Behandlung auf freiwilliger Basis im Bezirksklinikum G. einverstanden, worauf das Vormundschaftsgericht am nächsten Tag den Genehmigungsbeschluss bezüglich dieser vorläufigen Klinikunterbringung aufhob.
Seit der letztmaligen Entlassung aus dem Bezirksklinikum befindet sich die Betroffene an ihrem jetzigen Aufenthaltsort.
Das zwischenzeitlich zuständig gewordene AG A. holte ein Gutachten über die weitere Notwendigkeit einer geschlossenen Unterbringung ein, bestellte eine Verfahrenspflegerin und hörte die Betroffene persönlich an. Mit Beschluss vom 16.8.2006 hob es die Genehmigung der Unterbringung durch das AG M. vom 30.8.2005 auf und ordnete die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses an.
Auf die sofortige Beschwerde der Betreuerin hob das LG nach Anhörung der Betroffenen am 19.9.2006 den angefochtenen Beschluss auf und genehmigte die Unterbringung der Betroffenen in einer psychiatrischen Klinik oder Pflegeeinrichtung bis längstens 14.3.2007.
Hiergegen richtet sich die namens der Betroffenen eingelegte sofortige weitere Beschwerde der Verfahrenspflegerin vom 28.9.2006, mit der sie die Ablehnung der geschlossenen Unterbringung anstrebt.
II. Die frist- und formgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.
Sie ist jedoch überwiegend nicht begründet.
1. Das LG hat in seiner Entscheidung ausgeführt:
Die sofortige Beschwerde der Betreuerin gegen die Ablehnung der Unterbringungsgenehmigung sei begründet, da die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorlägen.
Die Betroffene leide an einer schwerwiegend emotional instabilen Persönlichkeit des Borderline-Typs und damit an einer erheblichen psychischen Krankheit. Dies ergebe sich aus dem zeitnahen Gutachten des erfahrenen Facharztes für Psychiatrie Dr. W. vom 14.7.2006, das mit der früheren Begutachtung durch die Sachverständige Dr. G. vom August 2005 übereinstimme sowie aus dem bei der Anhörung durch den beauftragten Richter gewonnenen Eindruck.
Die Betroffene könne zur Überzeugung der Kammer ihren Willen nicht frei bestimmen. Sie habe bei der Anhörung über vermehrt auftretende Depressionen berichtet sowie darüber, dass sie zunehmend Stimmen höre, die ihr die Selbsttötung befehlen würde. Die Betroffene fühle sich nach eigenen Angaben psychisch instabil und könne sich den "Befehlen" dieser Stimmen nicht widersetzen. Deshalb habe sie bei der Anhörung selbst um Genehmigung der Unterbringung gebeten und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie eine vernünftige, willensgesteuerte Abwägung derzeit nicht vornehmen könne.
Auch die behandelnde Psychologin K. habe in der Anhörung extreme und unvorhersehbare Stimmungsschwankungen geschildert, in denen die Betroffene nicht mehr erreichbar sei. Selbst wenn die Betroffene phasenweise zu einer freien Willensbestimmung fähig sein möge, stelle dies zur Überzeugung der Kammer doch die Ausnahme dar.
Die geschlossene Unterbringung sei auch erforderlich, wei...