Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Haftung von Audi für den entwickelten, hergestellten und gelieferten 3,0-Liter-Motor (hier: Porsche Cayenne Diesel)
Leitsatz (amtlich)
1. Zu - jeweils verneinten - (Schadensersatz-)Ansprüchen von Käufern eines Porsche-Fahrzeugs, in das ein von Audi entwickelter Diesel-Motor eingebaut ist, vgl. auch BGH BeckRS 2021, 37683; OLG Düsseldorf BeckRS 2020, 40872; OLG Köln BeckRS 2021, 15099; BeckRS 2020, 25732; BeckRS 2020, 40871; OLG Karlsruhe BeckRS 2020, 37836; BeckRS 2021, 36362; OLG München BeckRS 2020, 41015; BeckRS 2020, 44392; BeckRS 2021, 7739; OLG Saarbrücken BeckRS 2021, 43028; OLG Hamm BeckRS 2020, 45663; BeckRS 2020, 40869; OLG Stuttgart BeckRS 2021, 33367; OLG Frankfurt am Main BeckRS 2020, 47639 sowie BeckRS 2021, 22882 mit weiteren Nachweisen in Leitsatz 1.
2. Damit eine unzulässige Abschalteinrichtung eine Haftung der Motorherstellerin wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB auslösen kann, müssen weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. (Rn. 14)
3. Ein Schadensersatzanspruch gegen die Motorherstellerin ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 VO 715/2007/EG, da die Sonderpflicht, eine mit den (unions-)gesetzlichen Vorgaben konvergierende Übereinstimmungsbescheinigung auszugeben, nur den Fahrzeughersteller, nicht den Motorhersteller trifft. (Rn. 18)
4. Dem Motorhersteller, der seinen Vorteil (iSv § 852 BGB) bereits mit der Herstellung und Veräußerung des Motors realisiert hat, fließt im Zusammenhang mit dem Abschluss des ungewollten Kaufvertrags und dem hierauf beruhenden Vermögensschaden des geschädigten Fahrzeugerwerbers durch seine (des Motorherstellers) unerlaubte Handlung nichts - mehr - zu. (Rn. 30)
Normenkette
BGB § 199 Abs. 1, § 823 Abs. 2, §§ 826, 852 S. 1; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; Fahrzeugemissionen-VO Art. 5 Abs. 2; Typgenehmigungsverfahrens-RL Art. 18 Abs. 1; ZPO § 522 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 18.11.2022; Aktenzeichen 26 O 1734/22) |
Tenor
1. Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.11.2022, Az. 26 O 1734/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die beklagte Motorherstellerin, die nicht zugleich Fahrzeugherstellerin ist, wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin erwarb am 05.08.2014 von dem Porsche Zentrum in München einen PKW Porsche Cayenne Diesel der P. AG, der mit einem 3.0 Liter Sechszylinder-Dieselmotor (EU6) ausgestattet ist, als Neuwagen zu einem Kaufpreis von 79.212,65 EUR. Die Beklagte ist die Herstellerin des streitgegenständlichen Motors, welchen sie auch entwickelte. Der PKW verfügt über einen SCR-Katalysator, in dem mittels AdBlue-Einspritzung NOx-Emissionen verringert werden.
Das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) ordnete den Rückruf der mit diesem Motor versehenen Fahrzeuge an, da es sich bei der zur Motorsteuerung verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele. Der Rückrufbescheid betraf auch das streitgegenständliche Fahrzeug.
Das KBA, die Beklagte und die P. AG veröffentlichten in den Jahren 2017 und 2018 mehrfach Pressemitteilungen zu den erlassenen Rückrufen für verschiedene Fahrzeugmodelle mit V-TDI-Motor. Insbesondere veröffentlichte die Porsche AG am 28.07.2017 und am 27.10.2017 Pressemitteilungen, die konkret den Rückruf des P. Cayenne 3.0 V6 TDI (EU6) zum Gegenstand hatten.
Darüber hinaus setzte die P. AG die jeweiligen Fahrzeughalter des Typs Porsche Cayenne 3.0 V6 TDI (EU6) im September 2017 durch ein Schreiben davon in Kenntnis, dass Unregelmäßigkeiten im Bereich der Motorsteuerungssoftware festgestellt wurden. Darin wurden diese darauf hingewiesen, dass das KBA einen Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps erlassen hatte und die P. AG sich in der Abstimmung eines Software-Updates mit den Behörden befindet. Im Dezember 2017 versandte die P. Deutschland GmbH ein weiteres Schreiben, mit welchem die Fahrzeughalter sowohl von dem emissionsbedingten Rückruf als auch von dem Umstand in Kenntnis gesetzt wurden, dass für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp ein Software-Update zur Verfügung steht.
Ein von der Beklagten zur Verfügung gestelltes und vom KBA freigegebenes Software-Update wurde zwischenzeitlich auf das klägerische Fahrzeug aufgespielt.
Die Beklagte hat u.a. die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Erstgericht hat die am 11.02.2022 beim Landgericht eingereichte Klage abgewiesen, da die Ansprüche der Klägerin verjährt seien und die Anwendung des § 852 BGB ausscheide.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung vom 20.02.2023 (Bl. 10/26 d. e-Akte).
II. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägeri...