Entscheidungsstichwort (Thema)
Sofortige Beschwerde von Antragsteller- Wirksamkeit einer einstweiligen Verfügung
Normenkette
EuZustVO Art. 8 Abs. 1 a); ZPO § 179 S. 3
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 03.09.2019; Aktenzeichen 22 O 590/19) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 03.09.2019, Az.: 22 O 590/19, aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die einstweilige Verfügung des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 26.04. 2019, Az.: 22 O 590/19, der Antragsgegnerin spätestens am 27.06.2019 wirksam zugestellt worden ist.
3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Der Beschwerdewert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das Landgericht Kempten (Allgäu) hat am 26.04.2019 auf Antrag des Antragstellers folgende einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin erlassen:
Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, oder einer Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten untersagt,
1. einen von dem Antragsteller auf der F.b.seite von B. P. zu dem Thread mit dem Titel "Nachtleben in T." eingestellten Kommentar mit folgendem Wortlaut:
"Ja sicha gibt's einen Beweis. Die waren schwarz."
zu löschen,
2. den Antragsteller wegen der erneuten Einstellung dieses Kommentars auf der Plattform www.... zu sperren.
3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.
Der Beschluss ist dem Antragstellervertreter am 03.05.2019 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 13.05.2019 hat der Antragsteller die Zustellung der einstweiligen Verfügung samt Anlagen durch das Gericht gemäß §§ 191, 183 Abs. 1 Nr. 1 und 1069 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. Art. 4 VO (EG) 1393/2017 beantragt.
Er trägt vor: Die Antragsgegnerin verfüge in Deutschland über 31 Mio. Kunden. Sie unterhalte ihr Angebot vollständig in deutscher Sprache und stelle alle Vertragsunterlagen (Gemeinschaftsstandards und Nutzungsbedingungen) in deutscher Sprache zur Verfügung. In Ziffer 4. ihrer Nutzungsbedingungen habe sie die Geltung deutschen Rechts und die Zuständigkeit der deutschen Gerichte in Verbrauchersachen vereinbart. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass sie deutschsprachige Mitarbeiter auch in der Rechtsabteilung beschäftige. Die regelmäßige Behauptung der Antragsgegnerin, keine deutschsprachigen Juristen zu beschäftigen, dürfte im Übrigen auch offenkundig wahrheitswidrig sein. Die Antragsgegnerin selbst schreibe in ihrem (im Internet veröffentlichten) NetzDG-Transparenzbericht vom 27.08.2018: "Anzahl der Personen, die NetzDG-Meldungen prüfen: NetzDG-Beschwerden werden durch Teams aus geschulten Fachkräften und Juristen geprüft. Die Teams, die über das NetzDG-Formular übermittelte Beschwerden bearbeiten, bestehen aus etwa 65 Personen, wobei wir den Personalbestand bei einem erhöhten Beschwerdeaufkommen anpassen können."
Der Antragsteller ist der Ansicht, eine Übersetzung der einstweiligen Verfügung bzw. der Anlagen sei nicht erforderlich.
Dies gelte dann, wenn nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Land davon ausgegangen werden könne, dass im Unternehmen Mitarbeiter vorhanden seien, welche sich um rechtliche Auseinandersetzungen mit den Kunden in der Landessprache kümmern könnten. Erforderlich sei eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände.
Über das Vorliegen von Sprachkenntnissen entscheide dabei nicht die Antragsgegnerin nach Belieben, sondern vielmehr das Prozessgericht anhand der gegebenen Anhaltspunkte.
Der Antragsteller hält das Verhalten der Antragsgegnerin für rechtsmissbräuchlich.
Das Landgericht Kempten (Allgäu) hat mit Verfügung vom 03.06.2019 die Zustellung der einstweiligen Verfügung und des Schriftsatzes des Antragstellervertreters vom 13.05.2019 direkt an den in Irland gelegenen Sitz der Beklagten verfügt.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz der Antragsgegnervertreter vom 27.06.2019 erklärt, sie verweigere die Annahme der - innerhalb der letzten sieben Tage erhaltenen - o.g. Schriftstücke. Sie hat dem Schriftsatz das in Anhang II zur Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 (im Folgenden: EuZustVO) vorgegebene Formblatt beigefügt und darin angegeben, sie verstehe (nur) die englische Sprache.
Das Landgericht Kempten (Allgäu) hat daraufhin dem Antragsteller mit Schreiben vom 04.07. 2019 mitgeteilt, die einstweilige Verfügung habe nicht zugestellt werden können, da sie übersetzt werden müsse. Hierfür werde ein Kostenvorschuss i.H.v. 700,- EUR angefordert.
Der Antragsteller ist der Ansicht, entscheidend sei nicht, ob die Person, die die Post annehme, über Deutschkenntnisse verfüge, sondern, ob ein Unternehmen sich aufgrund seiner starken Auslandspräsenz organisatorisch auf fremdsprachige Korrespondenz einstellen müsse. Außerdem ergäbe sich die Verpflichtung, Mitarbeiter mit deutschen Sprachken...