Leitsatz (amtlich)
Nach Erledigung der Hauptsache im Rechtsbeschwerdeverfahren durch die Rücknahme des Haftantrags kann der Betroffene sein Rechtsmittel mit dem Ziel weiterverfolgen, nunmehr die Rechtswidrigkeit des amtsgerichtlichen Haftanordnungsbeschlusses feststellen zu lassen. Der Umstand, dass das LG seine Beschwerdeentscheidung auf der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Tatsachengrundlage getroffen hat, steht dem regelmäßig nicht entgegen.
Normenkette
FGG §§ 23, 27; AufenthG § 62 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 06.10.2005; Aktenzeichen 13 T 20439/05) |
AG München (Aktenzeichen 872-XIV B 769/04) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG München I vom 6.10.2005 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Ausländerbehörde betrieb die Abschiebung des Betroffenen, eines tansanischen Staatsangehörigen. Dieser reiste erstmals im September 2000 in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag wurde bestandskräftig abgelehnt. Der Betroffene wurde zur Ausreise aufgefordert. Ein Asylfolgeverfahren blieb erfolglos. Der Betroffene konnte zunächst nicht abgeschoben werden, weil er seit 8.7.2002 unbekannten Aufenthalts war. Er wurde schließlich in den Niederlanden aufgegriffen und am 7.10.2004 den deutschen Behörden gem. dem Dubliner Übereinkommen rücküberstellt.
Mit Beschl. v. 8.10.2004 ordnete das AG erstmals zur Sicherung der Abschiebung mit sofortiger Wirksamkeit Haft für die Dauer von längstens drei Monaten an. Rechtsmittel gegen die Haftanordnung blieben erfolglos (BayObLG, Beschl. v. 2.11.2004 - 4Z BR 083/04).
In der Folgezeit kam es zu Schwierigkeiten in der Beschaffung von Heimreisedokumenten für den Betroffenen.
Mit Beschl. v. 27.12.2004 ordnete das AG mit sofortiger Wirksamkeit weitere Abschiebungshaft bis zur möglichen Abschiebung, längstens jedoch für die Dauer von drei Monaten, im Anschluss an die bestehende Abschiebungshaft an. Weitere Haftanordnungsbeschlüsse des AG ergingen am 7.4.2005, 5.7.2005 und 6.10.2005. Gegen den zuletzt genannten Beschluss hat der Betroffene sofortige Beschwerde eingelegt, die das LG mit Beschl. v. 3.11.2005 zurückgewiesen hat. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen.
Am 1.12.2005 hat die Ausländerbehörde den Haftantrag zurückgenommen, der Betroffene wurde aus der Haft entlassen. Er beantragt über seine Verfahrensbevollmächtigte nunmehr, festzustellen, dass der Beschluss des AG vom 6.10.2005 rechtswidrig war, sowie der Ausländerbehörde die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die Hauptsache hat sich nach Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde durch die Zurücknahme des Haftantrags und die Entlassung des Betroffenen aus der Abschiebungshaft erledigt. Dies steht einem fortwirkenden Rechtsschutzinteresse jedoch nicht entgegen. Denn die tatsächlich stattgefundene Inhaftierung greift in schwerwiegender Weise in das Grundrecht auf Freiheit der Person ein. Eine vollzogene Haftanordnung beinhaltet auch den Vorwurf gesetzwidrigen Verhaltens und ist geeignet, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (BVerfG v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99, 2 BvR 1337/00, 2 BvR 1777/00, BVerfGE 104, 220; st. Rspr. des Senats, vgl. etwa OLG München, Beschl. v. 30.9.2005 - 34 Wx 078/05, OLGReport München 2006, 25). Hier hat der Betroffene sein Rechtsmittel mit dem Rechtsschutzziel aufrechterhalten, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung vom 6.10.2005 festzustellen. Auch wenn die landgerichtliche Beschwerdeentscheidung vom 3.11.2005 auf der Grundlage des zu diesem Zeitpunkt gegebenen Sachverhalts ergangen ist (vgl. § 23 FGG; BGH v. 6.12.1979 - VII ZB 11/79, BGHZ 75, 375 [380] = MDR 1980, 393) und somit auch nach der Entscheidung des AG eingetretene neue Tatsachen zu berücksichtigen hatte, sieht sich der Senat in der Lage, selbst die Rechtmäßigkeit der Anordnung vom 6.10.2005 beurteilen zu können. Denn das LG hat erkennbar auch die Rechtmäßigkeit der Haft zum Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung bejaht. Zu Lasten des Betroffenen ist nämlich im Zeitraum bis zur Beschwerdeentscheidung kein neuer Umstand eingetreten, der die Haft, abweichend von der amtsgerichtlichen Entscheidung, hätte rechtfertigen können.
2. Das LG hat ausgeführt: Die sofortige Beschwerde sei unbegründet. Der Betroffene sei seit 6.4.2001 vollziehbar ausreisepflichtig. Auch das Asylverfahren sei rechtskräftig abgeschlossen, so dass eine Aufenthaltsgestattung erloschen sei. Es bestehe der begründete Verdacht, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen. Der Betroffene sei im Inland ohne festen Wohnsitz und verfüge über keinerlei Ausweisdokumente. Er habe nach Mitteilung der Ausländerbehörde bereits früher Alias-Personalien verwendet. Nach Abschluss des Asyl- und des Asylfolgeverfahrens und nach Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel sei der Betroffene untergetaucht und habe sich nicht mehr bei der Ausländerbehörde gemeldet. Außerdem habe er bekräftigt, nicht gewillt zu sein, nach Tansania zurüc...