Leitsatz (amtlich)
1. Für eine im Ausland ansässige Partei ohne Niederlassung und Vertriebsorganisation im Inland ist die Hinzuziehung eines ausländischen Verkehrsanwalts in der Regel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig (teilweise Aufgabe von OLG München NJW-RR 1998, 1692 = MDR 1998, 1054; im Anschluss an OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 1581 und KG KGReport Berlin 2008, 845 = GRUR-RR 2008, 373).
2. Der von der im Ausland ansässigen Partei beauftragte ausländische Verkehrsanwalt ist aus erstattungsrechtlicher Sicht im Regelfall gehalten, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts zu beauftragen. Die Reisekosten eines nicht am Gerichtsort ansässigen inländischen Prozessbevollmächtigten sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig (im Anschluss an OLG Stuttgart OLGReport Stuttgart 2009, 452 = Justiz 2009, 292).
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; RVG-VV Nr. 3400
Verfahrensgang
LG Memmingen (Beschluss vom 03.12.2010; Aktenzeichen 32 O 2180/09) |
Tenor
I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Memmingen vom 3.12.2010 wird dahin abgeändert, dass die von der Klagepartei an die Beklagtenpartei zu erstattenden Kosten auf 5.310,50 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.10.2010 festgesetzt werden.
II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
IIl. Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger 77 % und die Beklagte 23 %. Die Gerichtskosten trägt die Beklagte. Die Gebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.
IV. Der Wert der Beschwerde beträgt 1.753,80 EUR.
Gründe
I. Zwischen den Parteien hat ein Handelsvertreterverhältnis bestanden. Der Kläger hat Glasprodukte der Beklagten, die ihren Sitz in 6305 Itter/Österreich hat, in Deutschland zum Kauf angeboten. Es hat sich hierbei um Glasprodukte gehandelt, die im Wesentlichen als Fassaden an Gebäuden angebracht worden sind. Im vorliegenden Rechtsstreit haben die Parteien um die Vergütung für vom Kläger erbrachte Ingenieurleistungen gestritten. Das LG Memmingen hat die Klage wegen fehlender Zuständigkeit mit Endurteil vom 21.9.2010 als unzulässig abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 30.9.2010 hat die Beklagte u.a. die Reisekosten ihres in München ansässigen Prozessbevollmächtigten zum Prozessgericht in Memmingen (79,80 EUR) samt Tage- und Abwesenheitsgeld (20 EUR) und die Kosten des in Wörgl/Österreich ansässigen Korrespondenzanwalts i.H.v. brutto 1.809,60 EUR geltend gemacht. Die Rechtspflegerin hat die fiktiven Reisekosten eines am Sitz der Beklagten ansässigen Prozessbevollmächtigten i.H.v. 135,60 EUR zuerkannt und die Festsetzung der durch die Einschaltung der österreichischen Verkehrsanwälte entstandenen Gebühren abgelehnt.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, die Beauftragung der österreichischen Rechtsanwälte sei zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und -verteidigung erforderlich gewesen. Dem Rechtsstreit vor dem LG Memmingen sei eine umfangreiche außergerichtliche Tätigkeit einschließlich Korrespondenz der anwaltlichen Vertreter der Beklagten in Österreich vor Ort vorausgegangen. Zudem habe der Kläger parallel einen Rechtsstreit gegen die Beklagte vor dem LG Innsbruck angestrengt. Durch die Rechts- und Sachkenntnisse der österreichischen Rechtsanwälte sei eine Beschleunigung und Vereinfachung des Rechtsstreits in Deutschland erzielt worden. Zudem sei das besondere Vertrauensverhältnis zwischen der Beklagten und ihren heimischen Rechtsanwälten, die sie laufend anwaltlich betreuten, zu berücksichtigen. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfe sich eine im Ausland ansässige Partei zumindest zur Vermittlung des Verkehrs und zur zweckdienlichen Information des Prozessbevollmächtigten eines heimischen Rechtsanwalts bedienen. Die hierdurch entstehenden Kosten seien erstattungsfähig.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO).
Das Rechtsmittel erweist sich teilweise auch als begründet. Die von der Beklagten zur Festsetzung angemeldeten Kosten für die Einschaltung ihrer österreichischen Verkehrsanwälte sind - mit Ausnahme der Umsatzsteuer - erstattungsfähig.
1. Die Entscheidung des LG entspricht allerdings der bisherigen Rechtsprechung des Senats, wonach für die Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten einer ausländischen Partei dieselben Grundsätze wie für einen Inländer gelten sollten (OLG München AnwBl. 1997, 290; NJW-RR 1998, 1692 = MDR 1998, 1054 = Rpfleger 1998, 538). Es musste also wie bei einer im Inland ansässigen Partei geprüft werden, ob es dieser wegen der tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten, insbesondere wegen des Umfangs und der damit verbundenen schwierigen rechtlichen Beurteilung der Sache unmöglich oder aus persönlichen Gründen unzumutbar war, den beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt selbst zu informieren (OLG München NJW-RR 1998, 1692).
2. An dieser ...