Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, KapMuG, Anlageentscheidung, Unanfechtbarkeit, Auslegung, Rechtsbeschwerde, Aussetzung, Feststellungsziele, Verfahren, Anleger, Bindungswirkung, Anspruch, Berufungsverfahren, von Amts wegen, wesentliche Verbesserung, bedingter Vorsatz
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 14.03.2022; Aktenzeichen 3 OH 2767/22) |
Tenor
1. Das Berufungsverfahren wird im Hinblick auf den am 16.03.2022 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichten Vorlagebeschluss des Landgerichts München I - 3. Zivilkammer - vom 14.03.2022, Gz. 3 OH 2767/22 KapMuG, gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG ausgesetzt.
2. Die Höhe des Anspruchs, der von den Feststellungszielen des Musterverfahrens betroffen ist, beträgt 62.577,38 EUR (§ 8 Abs. 4 KapMuG).
3. Die Parteien werden gemäß § 8 Abs. 3 KapMuG darüber unterrichtet,
a) dass die anteiligen Kosten des Musterverfahrens zu den Kosten des Rechtsstreits gehören, und
b) dass dies nicht gilt, wenn die Klage innerhalb von einem Monat ab Zustellung dieses Aussetzungsbeschlusses zurückgenommen wird.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klagepartei verlangt den Feststellungen des Landgerichts zufolge von den Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien der W. AG. Sie trägt dazu vor, sie habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der Testate der Beklagten Aktien der W. AG erworben.
Die Beklagte war seit 2010 alleinige Abschlussprüferin der W. AG. Sie hat die Jahresabschlüsse für die Jahre 2015, 2016, 2017 und 2018 ohne Einschränkungen testiert. Die Klagepartei begehrt Schadensersatz, da die Konzernabschlüsse der W. AG schuldhaft falsch testiert worden seien.
II. 1. Am 16.03.2022 wurde im elektronischen Bundesanzeiger der Vorlagebeschluss des Landgerichts München I - 3. Zivilkammer - vom 14.03.2022, Gz. 3 OH 2767/22 KapMuG, veröffentlicht.
a) Feststellungsziele des o.g. Vorlagebeschlusses sind u.a.:
"Zu A.I.
(Haupttat; Unrichtigkeit der Geschäftsberichte der W. AG),
Nr. 1 bis 5,
ob die Geschäftsberichte der W. AG für die Jahre 2014 bis 2018 die Verhältnisse der W. AG insoweit unrichtig wiedergeben, als sie
a. falsche Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente enthalten,
b. falsche Umsatzerlöse enthalten,
c. die Risiken aus dem Drittpartnergeschäft (TPA-Geschäft) falsch darstellen,
d. die Segmentberichterstattung nicht den Anforderungen von IFRS 8 entspricht,
e. das Risikofrüherkennungssystem der W. AG falsch darstellen,
Nr. 6 bis 7:
6. Die W. AG und der Beklagte Dr. M. B. kannten die Unrichtigkeit der Geschäftsberichte für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 und/ oder 2018 im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Veröffentlichung.
7. Die Unrichtigkeit der Geschäftsberichte für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 und/ oder 2018 beruhte auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der W. AG und des Beklagten Dr. M. B.
Zu A.II.:
(Zu weiteren Anspruchsvoraussetzungen und zur Klärung der Rechtsfragen)
Die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale Rechtswidrigkeit und Schuld, ausgenommen Fragen der individuellen Kausalität und Schadensberechnung, als Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Haftung des Beklagten Dr. M. B. aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 37v WpHG a.F., § 331 HGB, § 400 AktG liegen sämtlich vor.
Zu B.I. und II.,
(Frage von Teilnahme; zur Schadensersatzpflicht der Beklagten Ernst & Y. GmbH nach §§ 37b, 37c WpHG a.F. i.V.m. § 830 Abs. 2 S. 1, Abs. 2 Alt. 2 BGB), ob die auch hier Beklagte E. GmbH die Verletzung der in § 37b WpHG a.F. (Schadenersatz wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationen),
§ 37c WpHG a.F. (Schadenersatz wegen Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen) und
§ 37v WpHG a.F. i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB (Veröffentlichung von Jahresfinanzberichten), je i.V.m. § 830 Abs. 2 S. 1, Abs. 2 Alt. 2 BGB geregelten Publizitätspflichten durch die W. AG objektiv gefördert hat, indem sie über die Prüfung der Konzernabschlüsse für 2014 bis 2018 und der zugehörigen Konzernlageberichte nach IAS/IFRS der W. AG einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat, Zu B.III.
(Zum Vorsatz der Beklagten E.GmbH),
dass die hiesige Beklagte jeweils billigend in Kauf genommen habe, dass ihre Bestätigungsvermerke über die Prüfung der in Ziff. I.1 und II.1 genannten Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der W. AG für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 nach IAS/ IFRS unrichtig waren, indem die Beklagte zu 1) uneingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt hat, ohne
a. sich Originalkontoauszüge und Banksaldenbestätigungen zu den Treuhandkonten zeigen zu lassen und/oder
b. die Zahlungseingänge auf den Treuhandkonten zu prüfen, und Zu C.
(Schaden und Kausalität),
der Kursdifferenzschaden sei ohne konkreten Kausalitätsnachweis ersatzfähig."
b) Zur Begründung hat das Landgericht u.a. ausgeführt, die dortigen Kläger nähmen die dortigen Beklagten auf Schadensersatz in Bezug auf Erwerbe von Aktien der W. AG (WKN...60) in Anspruch; die dortigen Kläger würden Schadensersatz in Bezug auf Kaufgeschäfte zwischen dem 11.07.2017 und 19...