Entscheidungsstichwort (Thema)
Forderung
Leitsatz (redaktionell)
Nach einem Widerspruch gegen einen Mahnbescheid kann der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Antragsgegners zur Hauptsache zurückgenommen werden. Hieraus ist zu folgern, daß – ungeachtet des rückwirkenden Wegfalls der Rechtshängigkeit – die Sache bei dem Prozeßgericht anhängig bleibt, dort gleichsam ruht und jederzeit durch erneuten Antrag einer Partei auf Durchführung des streitigen Verfahrens wieder aufgenommen werden kann.
Normenkette
ZPO §§ 243, 577
Verfahrensgang
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des Landgerichts München II vom 4.12.1986 aufgehoben.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.048,80 DM.
Gründe
I.
Die Klägerin erwirkte gegen die Beklagte den Mahnbescheid des Amtsgerichts Mannheim vom 8.9.1986. Nach Widerspruch der Beklagten und Abgabe des Rechtsstreits an das Landgericht München II nahm die Klägerin den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zurück. Auf Antrag der Beklagten, gegen den die Klägerin sich nicht gewandt hat, wurden der Klägerin durch Beschluß des Landgerichts München II vom 4.12.1986 gemäß § 269 Abs. 3 ZPO die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auferlegt.
Gegen den am 10.12.1986 zugestellten Beschluß hat die Klägerin unter dem 23.12.1986 sofortige Beschwerde eingelegt, die am Montag, 29.12.1986 bei Gericht eingegangen ist. Zur Begründung ist darauf hingewiesen, daß die Klägerin mit Schriftsatz vom selben Tage (und gleichem Eingang) den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens wiederholt habe. In einem solchen Fall müsse zur Vermeidung divergierender Kostenentscheidungen der ergangene Kostenbeschluß aufgehoben werden; die Kostenentscheidung bleibe dem Endurteil vorbehalten.
II.
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Sie ist entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 5 ZPO statthaft und formgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 2 ZPO).
Die sofortige Beschwerde ist allerdings nicht fristgerecht eingelegt worden. Die 2-Wochen-Frist des § 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist am 24.12.1986 abgelaufen, weil der Heilige Abend kein „allgemeiner Feiertag”, sondern als Werktag anzusehen ist, so daß sich die Einlegungsfrist nicht gemäß § 222 Abs. 2 ZPO bis Montag, 29.12.1986 verlängert hat.
Der Klägerin war jedoch entsprechend § 236 Abs. 2 a. E. ZPO auch ohne ausdrücklichen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der sofortigen Beschwerdefrist zu gewähren. Die die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigenden Tatsachen sind offenkundig (§ 291 ZPO), nämlich die – zulässige und nicht an eine Frist gebundene (siehe unten) – Wiederholung des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens; eine Pflicht zur Glaubhaftmachung entfällt deshalb. Da gleichzeitig, also innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1, 2 ZPO die versäumte Prozeßhandlung (sofortige Beschwerde) nachgeholt worden ist, kann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch ohne entsprechenden Antrag bewilligt werden.
2. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist auch begründet.
a) Wird gegen einen vom Antragsteller erwirkten Mahnbescheid Widerspruch eingelegt, so kann der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Antragsgegners zur Hauptsache zurückgenommen werden; mit der Zurücknahme ist die Streitsache als nicht rechtshängig geworden anzusehen (§ 696 Abs. 4 ZPO). Hieraus wird gefolgert, daß – ungeachtet des rückwirkenden Wegfalls der Rechtshängigkeit – die Sache bei dem Prozeßgericht anhängig bleibt, dort gleichsam ruht und jederzeit durch erneuten Antrag einer Partei auf Durchführung des streitigen Verfahrens wieder aufgenommen werden kann (OLG Düsseldorf MDR 1981, 766; Thomas-Putzo, ZPO, 14. Aufl., Anm. 5 e, Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 45 Aufl., Anm. 4 A, je zu § 696).
Die ganz herrschende Meinung nimmt ferner an, daß in einem solchen Fall der Antragsgegner seine (außergerichtlichen) Kosten entsprechend § 269 Abs. 3 ZPO (Klagerücknahme) gegen den Antragsteller festsetzen lassen kann (OLG Saarbrücken NJW 1976, 1217 f.; OLG München – 8. Zivilsenat – Anw. Bl. 1984, 371; Stein-Jonas-Schlosser ZPO 20. Aufl. Rdn. 6, Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, a.a.O., Anm. 4 C c, je zu § 696; vgl. ferner KG JurBüro 1982, 614 f.; aA LG Lübeck SchlHA 1986, 43). Dies wird in der Regel mit dem rückwirkenden Wegfall der Rechtshängigkeit, die nur ex nunc wiederhergestellt werden könne, aber auch mit Gedanken der Prozeßökonomie begründet.
b) Es kann hier dahinstehen, ob dieser Auffassung generell gefolgt werden könnte. Immerhin darf nicht übersehen werden, daß im Fall der Rücknahme lediglich des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens (und nicht auch des Mahnbescheidsantrags bzw. der Klage) die Streitsache – ungeachtet des Wegfalls der Rechtshängigkeit – anhängig bleibt, so daß – anders als bei einer...