Leitsatz (amtlich)
Ein Verfahrensbeistand - vor dessen Bestellung zu prüfen ist, ob die von § 158 Abs. 2, 4 Satz 3 FamFG gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt sind - kann nicht "rückwirkend" bestellt werden, beispielsweise zur Begründung von Gebührenansprüchen für eine ohne vorherige Bestellung erfolgte Tätigkeit.
Normenkette
FamFG § 158
Verfahrensgang
AG Altötting (Beschluss vom 10.06.2015; Aktenzeichen 001 F 54/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Verfahrensbeistandes ... wird der Beschluss des Amtsgerichts Altötting vom 10.06.2015 aufgehoben.
Der Rechtspflegerin wird aufgegeben, die Vergütung des Verfahrensbeistandes für das vorliegende Verfahren gemäß RechnungsteIlung vom 23.03.2015 anzuweisen.
Gründe
I. Am 28.01.2015 regte der Verfahrensbeistand in der Sache 1 F 902/14 (AG Altötting), Herr ..., die Eröffnung eines. Hauptsacheverfahrens zur Umgangsregelung" an und ließ am 02.02.2015 dazu den Text einer ausführlich formulierten Umgangsregelung folgen; eine entsprechende gerichtliche Anforderung ist der Akte nicht zu entnehmen.
Bereits am 03.02.2015 kam es zu einem Termin in der hierauf neu angelegten Sache 1 F 54/15, in dem die entsprechende Vereinbarung der Beteiligten zum Umgangsrecht gerichtlich gebilligt wurde.
Im Rubrum des Terminsprotokolles wird Herr ..., der auch anwesend war, bereits als Verfahrensbeistand - für beide Kinder - aufgeführt.
Mit Schreiben vom 23.03.2015 übersandte er eine "Abrechnung Verfahrensbeistandschaft" zum hiesigen Aktenzeichen in Höhe von EUR 1.100,00.
Der zuständige Bezirksrevisor bemerkte dazu am 24.04.2015, ein Vergütungsanspruch bestehe in diesem Verfahren nicht, da es an einer wirksamen Bestellung von Herrn ... im Sinne von § 158 FamFG fehle. Demzufolge wies die Rechtspflegerin den Festsetzungsantrag mit dieser Begründung ab; ein handschriftlicher richterlicher Vermerk vom 29.01.2015 stelle keine wirksame Bestellung dar.
Dagegen legte Herr ... mit Schreiben vom 13.06.2015 Beschwerde mit der Begründung ein, er sei in vorliegender Umgangssache umfassend tätig gewesen.
Der zuständige Amtsrichter erließ hierauf am 16.06.2015 einen Beschluss, wonach Herr Schützenberger im vorliegenden Umgangsverfahren "mit Wirkung ab 29.01.2015 (Zeitpunkt der Auftragserteilung durch das Gericht)" zum Verfahrensbeistand bestellt werde.
Auf die näheren Regelungen in diesem Beschluss, beispielsweise die Übertragung der zusätzlichen Aufgaben gemäß § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG oder die Weisung an die Eltern, sich "unverzüglich" mit dem Verfahrensbeistand in Verbindung zu setzen, wird Bezug genommen. In der Begründung des Bestellungsbeschlusses heißt es u.a., die Bestellung solle nach § 158 Abs. 3 FamFG "so früh wie möglich" erfolgen.
Das Amtsgericht legte die Akte sodann dem Beschwerdegericht vor, weil in Familiensachen gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG keine Abhilfebefugnis bestehe.
II. Die gemäß §§ 158 Abs. 7 Satz 6, 168 Abs. 1, 38, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde muss in der Sache Erfolg haben; dies obwohl der angefochtene Zurückweisungsbeschluss vom 10.06.2015 zunächst korrekt war und sich eine Änderung der Rechtslage erst durch die in rechtswidriger Weise erfolgte rückwirkende Bestellung ergeben hat:
1. Zunächst wird davon ausgegangen, dass auch das vorliegende Beschwerdeverfahren betreffend die Vergütung des Verfahrensbeistandes als "Familiensache" im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 2, 111 FamFG anzusehen ist, mit der Folge, dass über die Abhilfe das Beschwerdegericht zu entscheiden hat.
2. Die - ursprünglich zweifellos zutreffende - Zurückweisungsentscheidung vom 10.06.2015 musste aufgehoben werden, weil der spätere richterliche Beschluss vom 16.06.2015 hier bindend ist. Eine Anfechtung des "Bestellunqsbeschlusses" vom 16.06.2015 ist gesetzlich ausgeschlossen (§ 158 Abs. 3 Satz 4 FamFG) und auch nicht erfolgt.
3. Der Beschluss vom 16.06.2015, mit dem ganz offensichtlich ein ursprünglich vergessener Bestellungsbeschluss nachgeholt werden sollte, ist rechtswidrig, da die rückwirkende Bestellung eines Verfahrensbeistandes nicht vorgesehen ist.
a) Das Gesetz kennt die Rückwirkung einer Bestellung nicht und eine solche Rückwirkung würde auch etwa zu einer Umgehung der gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen an die Bestellung eines Verfahrensbeistandes im Sinne von § 158 FamFG führen (vgl. etwa Keidel-Engelhardt, FamFG, 18. Aufl., § 168 Rn. 16; BayObLG, Beschl. v. 17.01.2001 - 3 ZBR 393/00, = FamRZ 01, 575 - für Betreuer; OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.12.2003 - 2 W 141/03, = FamRZ 06, 290; weitere Nachweise bei Engelhardt, a.a.O., Fn 47).
Danach ist eine rückwirkende Bestellung schon deshalb nicht möglich, weil eine solche nach Verfahrensabschluss - jedenfalls in der Sache selbst/von Vergütungsfragen abgesehen - sinnlos ist; ersichtlich passen deshalb auch Tenor und Gründe des Beschlusses vom 16.06.2015 nicht mehr, insbesondere gehen die entsprechenden Anordnungen darin zum Zeitpunkt des Erlasses weitgehend ins Leere. Ein Verfahrensbeistand ist gemäß § 158 Abs. 3 Satz 1 FamFG so früh wie möglich zu bestellen, w...