Leitsatz (amtlich)

1. Auch im selbständigen Beweisverfahren ist grundsätzlich die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Antragsgegner zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich, so dass dessen gesetzliche Gebühren und Auslagen bei Vorliegen einer entsprechenden Kostengrundentscheidung vom Antragsteller zu erstatten sind.

2. Endet der Auftrag des für den Antragsgegner tätigen Rechtsanwalts, ohne dass dieser einen Schriftsatz eingereicht hat, der einen Gegenantrag oder Sachvortrag enthält, so entsteht für ihn, wenn er das Geschäft in irgendeiner Weise - etwa durch die Beschaffung von Informationen - bereits betrieben hat, nur eine reduzierte 0,8 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3101 Ziff. 1 VV-RVG.

3. Zusätzlich fällt für den Rechtsanwalt des Antragsgegners eine 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert an, wenn er im Falle einer Rücknahme des Antrags auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens einen Kostenantrag gestellt hat.

 

Normenkette

RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 2; RVG-VV Nrn. 3100, 3101 Ziff. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 21.12.2010; Aktenzeichen 2 OH 19093/08)

 

Tenor

I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München I vom 21.12.2010 wird dahin abgeändert, dass die von der Antragstellerin an die vormalige Antragsgegnerin zu 4) zu erstattenden Kosten auf 1.609,30 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.4.2009 festgesetzt werden.

II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

III. Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin 68 % und die vormalige Antragsgegnerin zu 4) 32 %.

Die Gerichtskosten trägt die Antragstellerin. Die Gebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.

IV. Der Wert der Beschwerde beträgt 2.380,80 EUR.

V. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 31.10.2008 die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens u.a. gegen die vormalige Antragsgegnerin zu 4) beantragt. Die Haftpflichtversicherung der vormaligen Antragsgegnerin zu 4) hat die Rechtsanwälte ... mit deren Vertretung beauftragt. Diese haben die Vertretung mit Schriftsatz vom 27.11.2008 gegenüber dem LG angezeigt und die Gewährung von Akteneinsicht beantragt. Die vormalige Antragsgegnerin zu 4) hat selbst mit Schreiben an das Erstgericht vom 26.11.2008 zu dem gegen sie gerichteten Antrag Stellung genommen. Die Antragstellerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 14.1.2009 den Antrag in Richtung der vormaligen Antragsgegnerin zu 4) zurückgenommen. Das LG hat auf Antrag der Rechtsanwälte ... vom 5.2.2009 der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der vormaligen Antragsgegnerin zu 4) auferlegt und den Streitwert vorläufig auf 188.658 EUR festgesetzt.

Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 21.12.2010 die von der Antragstellerin an die vormalige Antragsgegnerin zu 4) zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 2.380,80 EUR festgesetzt und dabei eine 1,3 Verfahrensgebühr aus dem festgesetzten Gegenstandswert von 188.658 EUR sowie die Post- und Telekommunikationspauschale i.H.v. 20 EUR berücksichtigt. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie vorrangig eine vollständige Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses erstrebt. Hilfsweise beantragt sie die Festsetzung einer reduzierten 0,8 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3101 VV-RVG.

Zur Begründung wird ausgeführt, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts seitens der Haftpflichtversicherung der vormaligen Antragsgegnerin zu 4) ausgelösten Kosten seien i.S.d. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht notwendig gewesen. Die vormalige Antragsgegnerin zu 4) habe sich selbst mit Schreiben vom 26.11.2008 gegen den Beweisantrag der Antragstellerin verteidigt. Auf Grund der in diesem Schreiben vorgebrachten Argumente habe die Antragstellerin den Antrag zurückgenommen. Die Tätigkeit der Rechtsanwälte Bach und Kollegen sei hierfür nicht ursächlich gewesen, zumal sich diese noch gar nicht inhaltlich zu dem Vorgang geäußert hätten. Die eigenmächtige Einschaltung von Rechtsanwälten durch die Haftpflichtversicherung der vormaligen Antragsgegnerin zu 4) sei somit zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung bereits objektiv nicht erforderlich gewesen.

Hilfsweise wird ausgeführt, der angesetzte Gebührenwert sei der Höhe nach unzutreffend. Die Schriftsätze der Rechtsanwälte ... und Kollegen vom 27.11.2008 enthielten weder Sachanträge noch Sachvortrag, weshalb - wenn überhaupt - nur der Ansatz einer reduzierten 0,8 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3101 VV-RVG vertretbar sei.

Die vormalige Antragsgegnerin zu 4) beruft sich dagegen darauf, ihre Prozessbevollmächtigten hätten sich mit dem Prozessstoff auseinandergesetzt, nachdem die Antragsrücknahme erst etwa zwei Monate nach der Einsicht in die Akten erfolgt sei. Auch sei eine 1,3 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3100 VV-RVG angefallen. Eine Ermäßigung sei dort gesetzlich gar nicht vorgesehen. Die Verfahrensgebühr entstehe im selbständigen Beweisverfahren ...

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