Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Kostentragungspflicht nach § 269 Abs. 3 ZPO bei Klagerücknahme vor Rechtshängigkeit
Leitsatz (amtlich)
Nimmt der Kläger die Klage vor Rechtshängigkeit zurück, sind ihm nach § 269 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, wenn die Klage vom Gericht zugestellt worden ist.
Normenkette
ZPO § 269 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 24.08.2010; Aktenzeichen 13 HKO 8230/10) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des LG München I vom 24.8.2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 842,52 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 30.3.2010 reichte die Klägerin Zahlungsklage beim LG Regensburg ein. Das LG Regensburg stellte die Klage nicht zu, sondern wies auf die örtliche Unzuständigkeit hin. Mit Schriftsatz vom 23.4.2010 (Bl. 7 d.A.) stellte die Klägerin Antrag auf Abgabe des Verfahrens an das örtlich zuständige LG München I. Dem entsprach das LG Regensburg mit richterlicher Verfügung vom 26.4.2010 (Bl. 8 d.A.). Die Geschäftsstelle erledigte die Verfügung am 27.4.2010, am 28.4.2010 ging die Akte beim LG München I ein (Bl. 8 d.A.). Mit Schriftsatz vom 27.4.2010, beim LG Regensburg am selben Tag per Telefax und am 29.4.2010 im Original eingegangen, nahm die Klägerin die Klage zurück. Das Telefax mit der Klagerücknahme wurde vom Gericht in das Aktenheft "ausgehobene Aktenstücke" eingelegt (vgl. Vermerk vom 18.11.2010, Bl. 35 d.A.).
Mit Verfügung vom 19.5.2010 ordnete das LG München I die Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens und die Zustellung der Klageschrift an (Bl. 9/10 d.A.). Die Zustellung erfolgte am 22.5.2010. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten erstattete mit Schriftsatz vom 26.5.2010 Verteidigungsanzeige. Die Klägerin nahm die Klage mit Schreiben vom 26.5.2010 "nochmals" zurück (Bl. 11 d.A.). Die Beklagte beantragte Kostenentscheidung wegen Klagerücknahme.
Mit Beschluss vom 24.8.2010 wurden der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde. Da die Bestellung des anwaltlichen Vertreters der Beklagten nach Klagerücknahme erfolgte, seien die Rechtsanwaltskosten der Beklagten nicht von der Klägerin zu tragen.
II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des LG München I vom 24.8.2010 ist zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg. Zu Recht hat das Erstgericht im hiesigen Verfahren die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt.
Die Vorschrift des § 269 ZPO setzt Rechtshängigkeit voraus, weil erst ab diesem Zeitpunkt die Klage erhoben (§ 253 Abs. 1 ZPO) und damit ein Prozessrechtsverhältnis entstanden ist. Wird die Klage vor Rechtshängigkeit "zurückgenommen", gilt § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO an sich nicht, so dass der Gegner die ihm bis dahin entstandenen Rechtsanwaltskosten selbst zu tragen hat. Etwas anderes ergibt sich aber, wenn, wie hier, eine wirksam eingereichte Klage trotz bereits erfolgter "Rücknahme" versehentlich noch zugestellt wird. Auch dann ist § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO anzuwenden, weil die Klagepartei durch Klageeinreichung die Beauftragung des Beklagtenvertreters verursacht hat (Veranlasserprinzip). Es wäre unbillig, wenn die Beklagtenpartei diese Kosten selbst tragen müsste, war es doch die von der Klagepartei zunächst eingeleitete Rechtsverfolgung, welche die Beklagtenpartei zur Beauftragung eines Rechtsanwalts veranlasst hat (bereits OLG München JW 1938, 1465/1466; 2560, 2561; OLG Frankfurt NJW 1965, 275, 276; OLG Karlsruhe NJW 1997, 1290/1291; OLG Köln MDR 1994, 618, aber für entsprechende Anwendung; wie hier Assmann, in: GroßKomm-ZPO, 3. Aufl. 2008, § 269 Rz. 19; Roth, in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2008, § 269 Rz. 14; Schneider ZZP 76 (1963), 32, 36/37). Der nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu erlassende Beschluss erfasst damit die außergerichtlichen Kosten des Gegners, weil sich die Kostentragungspflicht der Klägerin für die Gerichtskosten ohnehin aus dem Gesetz ergibt.
Ob die Klägerin die aufgrund des Beschlusses des LG München I vom 24.8.2010 zu tragenden außergerichtlichen Kosten der Beklagten vom Freistaat Bayern im Wege der Amtshaftung regressieren kann, braucht der Senat im hiesigen Verfahren nicht zu entscheiden.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens bemisst sich nach der Höhe der Kosten, deren Erstattung die Beklagte verlangen kann.
Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Der Senat weicht weder von einer Entscheidung des Revisionsgerichts noch eines anderen OLG ab. Die Rechtsfrage ist aufgrund der übereinstimmenden Rechtsprechung mehrerer OLG entschieden.
Fundstellen