Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsbegründungsfrist bei Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
1. Der armen Partei steht, unabhängig davon, ob die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor oder nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ergeht, zur Begründung der Berufung eine Frist von zwei Monaten ab Zugang der Prozesskostenhilfeentscheidung zu.
2. Unstatthafte Rechtsbehelfe gegen die Prozesskostenhilfeentscheidung beeinflussen den Fristlauf nicht.
3. Eine arme Partei, der keine Prozesskostenhilfe bewilligt wird, erhält keine zur Berufungsbegründungsfrist von zwei Monaten hinzukommende Bedenkzeit darüber, ob sie das Verfahren auf eigene Kosten durchführen kann und will.
Normenkette
ZPO § 522
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 08.08.2005; Aktenzeichen 9 O 13322/04) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 8.8.2005 wird als unzulässig verworfen.
II. Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin vom 24.2.2006 wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schmerzensgeld wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Mit Urteil vom 8.8.2005, dem Klägervertreter zugestellt am 17.8.2005, hat das LG die Klage abgewiesen. Mit Schriftsatz ihres damaligen Prozessbevollmächtigten vom 14.9.2005, eingegangen am 15.9.2005, legte die Klägerin gegen das Urteil des LG Berufung ein. In der Folgezeit wurde die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag der Klägerin insgesamt vier Mal, letztmalig bis zum 16.1.2006, verlängert. Mit Beschluss vom 16.12.2005, der Klägerin persönlich und ihrem damaligen Prozessbevollmächtigten jeweils zugestellt am 21.12.2005, wies der Senat die Anträge der Klägerin vom 19.9., 10.11. und 5.12.2005, ihr für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurück. Die Rechtsbeschwerde wurde vom Senat nicht zugelassen. Mit Beschluss vom 26.1.2006, der Klägerin zugegangen am 2.2.2006, wies der BGH die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 16.12.2005 als unstatthaft zurück. Mit Schriftsatz ihres nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 24.2.2006, eingegangen am selben Tag, begründete die Klägerin die Berufung vom 15.9.2005 und beantragte "höchstvorsorglich", ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Frist zur Begründung der Berufung zu gewähren.
II. Die Klägerin hat die Zweimonatsfrist zur Begründung der Berufung gem. § 520 Abs. 2 ZPO versäumt. Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin ist unbegründet. Ihre Berufung war folglich gem. § 522 Abs. 1 ZPO im Beschlussweg zu verwerfen.
1. Die zweimonatige Frist zur Begründung der Berufung begann mit der Zustellung des die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschlusses des Senats vom 16.12.2005 am 21.12.2005 zu laufen. Mit der Bekanntgabe der negativen Prozesskostenhilfeentscheidung war der Umstand, der die Klägerin an der Begründung der Berufung gehindert hat, entfallen. Der Senat bemisst im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH (BGH v. 9.7.2003 - XII ZB 147/02, BGHReport 2003, 1155 n. Anm. Deichfuß = MDR 2003, 1308 = NJW 2003, 3275) die Berufungsbegründungsfrist generell mit zwei und nicht nur mit einem Monat. Der bemittelten Partei steht nach der Zivilprozessordnung zur Fertigung der Berufungsbegründung eine Frist von zwei Monaten zur Verfügung. Die Waffengleichheit im Zivilprozess gebietet es, der armen Partei unabhängig davon, ob die Prozesskostenhilfeentscheidung, wie hier, vor oder nach Fristablauf ergeht, die gleiche Frist gerechnet ab Zugang der Prozesskostenhilfeentscheidung einzuräumen. Die Frist zur Begründung der Berufung lief folglich am 21.2.2006 ab. Die Klägerin hat diese Frist versäumt. Ihre Berufungsbegründung ging erst am 24.2.2006 ein.
Mit der unstatthaften Beschwerde der Klägerin zum BGH war keine weitere Verlängerung der vorgenannten Frist dahingehend verbunden, dass die Berufungsbegründungsfrist erst mit Zugang des Beschlusses des BGH am 2.2.2006 angelaufen wäre. Der Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin war mit der Entscheidung des Senats vom 16.12.2005, da die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen war, unanfechtbar abgewiesen. Unstatthafte Rechtsbehelfe führen zu keiner Fristverlängerung. Vielmehr muss die Partei aus einer Entscheidung, die im regulären Instanzenzug keiner Abänderung mehr unterliegt, die erforderlichen prozessualen Konsequenzen ziehen.
Entgegen ihrem Vorbringen kann der Klägerin zusätzlich zur vorgenannten Zweimonatsfrist keine zusätzliche Bedenkzeit von 3 bis 4 Tagen eingeräumt werden. Zwar hat der BGH (BGH v. 10.11.1998 - VI ZB 21/98, VersR 1999, 1123) der armen Partei, die keine Prozesskostenhilfe erhält, eine derartige zusätzliche Überlegungsfrist eingeräumt, um sich darüber klar zu werden, ob sie das Verfahren auf eigene Kosten durchführen kann und will. ...