Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorlage betreffend die Bestimmung des örtlich zuständigen Nachlassgerichts setzt voraus, dass das Vorlagegericht die für die örtliche Zuständigkeit begründenden Tatsachen erschöpfend ermittelt hat. (im Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschluss v. 18.11.2016 - I-3 Sa 2/16).
2. Bei einer Aufnahme in ein Pflegeheim unmittelbar vor seinem Tod (hier: 3 Wochen) drängt sich die durch das Nachlassgericht zu klärende Frage auf, ob der Erblasser aufgrund eigenen Willens den Aufenthaltswechsel vollzogen hat.
Normenkette
FamFG § 5 Abs. 1 Nr. 4, § 343 Abs. 1
Tenor
Die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts für die Ermittlung der Erben nach dem Erblasser und zur Benachrichtigung der Beteiligten wird abgelehnt.
Gründe
Das Nachlassgericht Landshut hat mit Vorlagebeschluss vom 09.02.2017 eine Entscheidung über die Zuständigkeit des Nachlassgerichts gemäß § 5 Absatz 1 Nr. 4 FamFG für die Ermittlung der Erben nach dem Erblasser (vgl. Art. 37 Abs. 1 AGGVG) und (ggf.) zur Benachrichtigung der Beteiligten (§ 348 Abs. 3 FamFG) beantragt, nachdem sich das Nachlassgericht Landshut mit Beschluss vom 09.01.2017 und das Nachlassgericht Erding mit Beschluss vom 30.01.2017 jeweils für örtlich unzuständig erklärt haben.
1. Sachlich kommt als Grundlage der Zuständigkeitsbestimmung nur § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG in Betracht. Nach dieser Vorschrift wird das zuständige Gericht durch das nächsthöhere gemeinsame Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für das Verfahren zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Dabei ist der Begriff der rechtskräftigen Unzuständigkeitserklärung weit auszulegen. Es genügt, dass jedes der beteiligten Gerichte seine Kompetenz ausdrücklich und förmlich geleugnet hat, wobei jedoch unerlässliche Voraussetzung die Bekanntgabe der kompetenzleugnenden Entscheidungen an die Beteiligten ist (OLG Hamm MDR 2016, 333 f.; OLG Düsseldorf ZEV 2017, 103 [104]). Dies ist vorliegend geschehen, so dass das Oberlandesgericht München als nächsthöheres Gericht für die Zuständigkeitsbestimmung örtlich und sachlich zuständig ist.
2. Allerdings kann eine Zuständigkeitsbestimmung erst dann erfolgen, wenn das vorlegende Nachlassgericht seiner Pflicht zur Ermittlung der zuständigkeitsbegründenden Tatsachen gemäß § 26 FamFG vor Einleitung des Bestimmungsverfahrens nach § 5 FamFG nachgekommen ist. Denn es besteht im Interesse der Verfahrensbeschleunigung eine Pflicht des Vorlagegerichts, die die örtliche Zuständigkeit begründenden Tatsachen vor Einleitung des Bestimmungsverfahrens nach § 5 FamFG von Amts wegen zu ermitteln (OLG Düsseldorf ZEV 2017, 103 [104]). Unter Zugrundelegung des seit 17.8.2015 geltenden Rechts betreffend die örtliche Zuständigkeit der Nachlassgerichte, § 343 Abs. 1 FamFG, ist aber bislang eine ausreichende Ermittlung der zuständigkeitsbegründenden Tatsachen nicht erfolgt.
a) Nach dem bis zum 17.8.2015 geltenden § 343 Abs. 1 FamFG a.F. bestimmte sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Erblassers zur Zeit des Erbfalls, hilfsweise nach dessen Aufenthalt. Dabei bestand im Ergebnis weitgehend Einigkeit, dass die Dauer des Aufenthaltes - sogar dessen Freiwilligkeit und Bewusstheit - ohne Belang sei, deshalb der Aufenthaltsort zur Zeit des Erbfalls regelmäßig mit dem Sterbeort zusammenfalle (OLG Düsseldorf ZEV 2017,103,[104];Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl. [2014], § 343 Rn. 45).
b) Die zum 17.8.2015 in Kraft getretene Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) sieht hingegen als grundlegendes Merkmal für die Anknüpfung gerichtlicher Zuständigkeiten in Erbsachen den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes vor (Art. 4 EuErbVO). Dementsprechend bestimmt nunmehr § 343 Abs. 1 FamFG n.F., örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Durch die Neufassung des § 343 Abs. 1 FamFG im Rahmen des IntErbRVG soll das Ziel, eine möglichst einheitliche örtliche Zuständigkeit der Gerichte für die Erteilung eines Erbscheins und für die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses nach Kapitel VI der EuErbVO zu gewährleisten, - und damit auch ein Gleichlauf mit Art. 4 EuErbVO - erreicht werden (vgl. BT-Drs. 18/4201 S. 59). Demgemäß ist der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" auch im Lichte des Art. 4 EuErbVO unter Heranziehung der Erwägungsgründe (23) und (24) zu bestimmen. Insoweit ist eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände vorzunehmen, auch unter Berücksichtigung von Dauer und Regelmäßigkeit von Besuchen, der besonders engen Bindung an einen Staat, der Sprachkenntnisse, der Lage des Vermögens (vgl. Palandt/Thorn 76. Auflage [2017] Art 21. EuErbVO; Köhler in: Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch "Internationales Erbrecht" 2. Auflage [2017] Teil 1 § 4 Rn. 13 ff.; Dörner ZEV 2012, 505; Dutta FamRZ 2013, 4). Daraus ergibt sich, dass in Bezug auf den "gewöhnlichen Aufenthalt" der tatsächliche Lebensmittelpunkt einer natürlichen Person zu verstehen ist, der mittels eine...