Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen, Erblasser, Erbschein, Testamentsvollstrecker, Bank, Erbschaft, Ausschlagung, Annahme, Erbfolge, Testamentsvollstreckung, Auskunft, Nachlasspflegschaft, Erben, Ausschlagungsfrist, Annahme der Erbschaft, Vorlage eines Erbscheins
Verfahrensgang
AG Landsberg a. Lech (Beschluss vom 23.05.2019; Aktenzeichen VI 522/18) |
Tenor
1. Der Beschluss des Amtsgerichts Landsberg a. Lech - Nachlassgericht - vom 23.05.2019 wird aufgehoben.
2. Die Akten werden dem Amtsgericht Landsberg a. Lech - Nachlassgericht - zur weiteren Durchführung des Erbscheinserteilungsverfahrens zurückgegeben.
Gründe
I. Der Erblasser war in einziger Ehe verheiratet mit der Beteiligten zu 1. Die Ehe war kinderlos. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die Eltern des Erblassers. Diese unterzeichneten am 4.7.2018 ein mit "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" überschriebenes Formular der Sparkasse L (vgl. dazu näher II); am 23.8.2018 schlugen sie zur Niederschrift des Nachlassgerichts die Erbschaft aus.
Mit Antrag vom 12.12.2018 beantragte die Beteiligte zu 1 einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, wonach sie selbst den Erblasser zu 3/4 und die Beteiligten zu 2 und 3 zu jeweils 1/8 beerben. Sie vertrat unter Bezugnahme auf die Würdigung des Nachlassgerichts betreffend das Sparkassenformular die Auffassung, dass die Beteiligten zu 2 und 3 mit der Unterzeichnung des Formulars die Erbschaft bereits angenommen haben.
Mit Schreiben vom 12.12.2018 erklärten die Beteiligten zu 2 und 3 die Anfechtung der Annahme der Erbschaft sowie der Versäumung der Ausschlagungsfrist. Sie führten darin u.a. aus, dass die Unterschrift auf dem Formular deswegen erfolgte, da sie andernfalls von der Sparkasse keine Auskunft über die Konten ihres Sohnes erhalten hätten. Ihnen sei nicht bekannt gewesen, dass sie durch die Unterzeichnung des Formblattes die Erbschaft angenommen hätten. Insofern hätten sie sich in einem Rechtsfolgenirrtum befunden.
II. Die zulässigen Beschwerden haben in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für die Erteilung des von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins liegen nicht vor. Da die Beteiligten zu 2 und 3 die Erbschaft form- und fristgerecht im Sinne der §§ 1944, 1945 BGB ausgeschlagen haben, sind sie nicht gesetzliche Erben nach dem Erblasser geworden.
Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts war deren Ausschlagungsrecht gemäß § 1943 BGB nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie die Erbschaft bereits durch die Unterzeichnung der "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" vom 4.7.2018 im Sinne des § 1943 BGB angenommen haben.
1. Die Annahme durch schlüssiges Verhalten (pro herede gestio) setzt eine nach außen erkennbare Handlung des Erben voraus, aus der unter Berücksichtigung aller Umstände der Schluss zu ziehen ist, der Erbe habe sich zur endgültigen Übernahme des Nachlasses entschieden (MüKoBGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, BGB § 1943 Rn. 4; Najdecki in: Burandt/Rojahn Erbrecht 3. Auflage § 1943 Rn. 4; BayObLG ZEV 2006, 455).
Im Hinblick darauf, dass die Annahme ohnehin spätestens mit Ablauf der Ausschlagungsfrist eintritt und diese im Regelfall relativ kurz bemessen ist, vertritt die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung, dass die Annahme der Erbschaft durch schlüssiges Verhalten im Zweifel nur zurückhaltend zu bejahen sein sollte, zumal auch dem vorläufigen Erben, der sein Ausschlagungsrecht noch nicht verlieren möchte, die Verwaltung des Nachlasses zusteht (vgl. dazu MüKoBGB/Leipold, a.a.O. Rn. 5 m.w.N.). Demgemäß bringen Maßnahmen, die zur Sicherung oder Erhaltung des Nachlasses notwendig sind, wie auch eine Auskunftsklage gegen den Testamentsvollstrecker über den Bestand des Nachlasses keine Annahme zum Ausdruck, wenn es darum geht, die nötigen Informationen für die Entscheidung über Annahme oder Ausschlagung zu erhalten (vgl. dazu MüKoBGB/Leipold, a.a.O. Rn. 5 m.w.N. sowie Najdecki in; Burandt/Rojahn a.a.O. Rn. 4-6; BayObLG ZEV 2006, 455).
2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liegt in der Unterzeichnung der von der Sparkasse vorgelegten "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" betreffend den Erblasser am 4.7.2018 durch die Beteiligten zu 2 und 3 keine schlüssig erklärte Annahme der Erbschaft im Sinne des § 1943 BGB.
a) Die "Nachlassverfügung mit Haftungserklärung" wurde von der Sparkasse der Beteiligten zu 1 sowie den Beschwerdeführern zur Unterschrift vorgelegt und dient der Haftungsfreistellung der Bank für den Fall, dass etwaige Auszahlungen an die Unterzeichnenden ohne Vorlage eines Erbscheins sich im Nachhinein als Leistungen an Nichtberechtigte erweisen, da diese tatsächlich nicht Erben des Erblassers sind. Dieses Formular dient somit vorrangig dem Sicherungsinteresse der Bank und begründet einen Haftungsrückgriff zu Lasten der Unterzeichnenden.
b) In dem Formular findet sich zwar nach Aufführung der bei der Bank geführten Girokonten und Sparkonten des Erblassers der standardisierte Text
"Ich versichere/Wir versichern hiermit ausdrücklich, dass ich/wir der/die alleinig...