Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsgeldfestsetzung gegen eine GbR i.L. zur Vollstreckung eines Titels auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vollbeendigung einer BGB-Gesellschaft tritt erst mit der vollständigen Abwicklung des Gesamthandsvermögens ein, zu der auch die Erledigung der nichtvermögensrechtlichen Verbindlichkeiten gehört. (Rn. 17)

2. Vor der vollständigen Erfüllung eines Vollstreckungsanspruchs (hier auf Einsicht in die Geschäftspapiere) kann wegen des darin liegenden Liquidationsbedarfs eine Vollbeendigung der aufgelösten Gesellschaft nicht eintreten. (Rn. 13)

3. Im Vollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO ist der Erfüllungseinwand des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Schuldners zu prüfen. (Rn. 23)

4. Das Einsichtsrecht des GbR-Gesellschafters in die Bücher und Papiere der GbR ist ein umfassendes Einsichtsrecht und erstreckt sich grundsätzlich auf alle Bücher und Papiere der Gesellschaft, soweit sie über deren Angelegenheiten und insbesondere die Geschäftsvorgänge Aufschluss geben Hierzu zählen auch in Datenverarbeitungsanlagen gespeicherte Informationen. Insoweit kann ein Ausdruck oder die Darstellung auf einem Bildschirm verlangt werden. (Rn. 24)

 

Normenkette

BGB § 716 (idF bis zum 31.12.2023); HGB § 118 Abs. 1, § 166 Abs. 1 (idF bis zum 31.12.2023); ZPO §§ 50, 888 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 04.07.2023; Aktenzeichen 10 O 10843/18)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin (Klägerin und Widerbeklagte) vom 21.07.2023 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 04.07.2023, Az. 10 O 10843/18, mit dem gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld von 5.000,00 EUR verhängt wurde (wegen der Nichtgewährung der Einsichtnahme in die Geschäftsbücher und Papiere der Schuldnerin) wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragt die Schuldnerin.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I Die Schuldnerin (Klägerin und Widerbeklagte ...) wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 21.07.2023 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 04.07.2023, Az. 10 O 10843/18, mit dem gegen die Schuldnerin auf Antrag der Gläubigerin zu 2 (Beklagte und Widerklägerin zu 2 ... im Folgenden auch kurz ... ein Zwangsgeld von 5.000,00 EUR verhängt wurde wegen der Nichtgewährung der Einsichtnahme in die Geschäftsbücher und Papiere der Schuldnerin.

Im Erkenntnisverfahren vor dem Landgericht München I, Az. 10 O 10843/18, haben die Parteien wechselseitige Ansprüche im Rahmen einer Gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung geltend gemacht, wobei es einerseits um die Veräußerung einer Fondsimmobilie ging, andererseits - und hier gegenständlich - um den Anspruch der Gläubigerin zu 2 auf Einsicht in die Geschäftsbücher und die Papiere der Schuldnerin gemäß § 716 Abs. 1 BGB. Die Gläubigerin zu 2 ist Gesellschafterin der Schuldnerin, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Frage der Vollbeendigung der Gesellschaft ist im Rahmen der hier beschwerdegegenständlichen Vollstreckungsmaßnahme zwischen den Parteien streitig. Im Erkenntnisverfahren erging das Endurteil des Landgerichts München I vom 16.05.2019, Az. 10 O 10843/18, in dem gemäß Ziffer 6 des Tenors die Klägerin und Widerbeklagte (hier Schuldnerin) verurteilt wurde, der Beklagten zu 2 (hier Gläubigerin zu 2) in Person deren Geschäftsführers Steuerberater ... Einsichtnahme in die Geschäftsbücher und die Papiere der Klägerin zu gewahren. Der Anspruch wurde darauf gestützt, dass die Beklagte zu 2 gemäß § 716 BGB als Gesellschafterin der Klägerin berechtigt ist, in die Geschäftsbücher und in die Papiere der Klägerin Einsicht zu nehmen (EU-LG S 12 u.). Das vorgenannte Endurteil wurde rechtskräftig. Mit Beschluss vom 09.11.2020, Az. 10 O 10843/18, verhängte das Landgericht München I unter Ziffer II. des Beschlusses gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 EUR ersatzweise Zwangshaft für den Fall, dass die Schuldnerin nicht spätestens innerhalb eines Monats ab Zustellung des Beschlusses der Gläubigerin zu 2 Einsichtnahme in ihre sämtlichen Geschäftsbücher gewahrt aufgrund Ziffer 6. des Urteilstenors des vollstreckbaren Urteils des Landgerichts München I vom 16.05.2019, Az. 10 O 10843/18 Der vorgenannte Beschluss wurde aufgrund der Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts München vom 17.03.2021, Az. 15 W 139/21, mit der Maßgabe rechtskräftig, dass die Anordnung des Zwangsgelds und ersatzweise der Zwangshaft für den Fall angeordnet ist, dass die Schuldnerin der Gläubigerin zu 2 die Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen nicht binnen einen Monats ab Rechtskraft des Beschlusses des Landgerichts München I vom 16.05.2019 gewahrt. Die Gläubigerin veranlasste die Beitreibung des Zwangsgelds durch die zuständige Gerichtsvollziehern unter dem 24.10.2022.

Die Schuldnerin und die Gläubigerin zu 2 streiten erneut über die Zwangsvollstreckung hinsichtlich des unter Ziffer 6. im Tenor des Endurteils des Landgerichts München I vom ...

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