Leitsatz (amtlich)
1. Zur Vollstreckbarerklärung eines (inländischen) ICC-Schiedsspruchs.
2. Für die Entscheidung über die Kosten des Schiedsverfahrens enthält die ICC-SchO eine in sich abgeschlossene Regelung, die einen Rückgriff auf Kostenvorschriften des nationalen Rechts (hier: ZPO, RVG) im Regelfall nicht erfordert.
3. Zur Erstattungsfähigkeit vereinbarter anwaltlicher Zeithonorare als "angemessene" Parteiaufwendungen.
Normenkette
ZPO §§ 91, 1057 Abs. 1, § 1059 Abs. 2, § 1062 Abs. 1 Nr. 4; ICC-SchO Art. 29, 31 Abs. 1, 3
Tenor
I. Das aus den Schiedsrichtern bestehende Schiedsgericht des Internationalen Schiedsgerichtshofs der ICC erließ in dem in München zwischen der Antragstellerin als (Schieds-) Beklagten und der Antragsgegnerin als (Schieds-) Klägerin geführten Schiedsverfahren am 18.4.2011 folgenden Schiedsspruch:
1. ...
2. ...
3. ...
4. ...
5. Die vom Internationalen Schiedsgerichtshof der ICC am 30.3.2011 festgesetzten Kosten des Schiedsverfahrens setzen sich wie folgt zusammen:
Verwaltungskosten der ICC: USD 18.891.00
Schiedsrichterhonorare: USD 162.700.00
Auslagen der Schiedsrichter: USD 8.409.00
Total: USD 190.000.00
6. Die Klägerin trägt 93.4 % dieser Kosten; die Beklagte 6.6 %. Die Klägerin und die Beklagte haben einen Kostenvorschuss von je USD 95.000 bezahlt. Daher wird die Klägerin verpflichtet, der Beklagten USD 82.460.00 binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Schiedsspruches zu bezahlen.
Hinzuzusetzen ist die Mehrwertsteuer, soweit diese für Schiedsrichterhonorare auszuweisen ist, insbesondere sofern der betreffende Schiedsrichter und eine Partei ihren Wohnsitz/Sitz im gleichen Staat haben.
7. Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten für ihre Vertretung und andere Auslagen den Betrag von EUR 61.713.10 binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Schiedsspruches zu bezahlen.
II. Dieser Schiedsspruch wird für die Antragstellerin in Ziff. 6. und 7. für vollstreckbar erklärt, hinsichtlich Ziff. 6. mit der Maßgabe, dass noch 5.121,82 EUR zu bezahlen sind.
III. Das in I. bezeichnete Schiedsgericht erließ im selben Verfahren in München am 28.7.2011 folgenden Entscheid:
1. ...
2. ...
3. Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten für ihre Vertretung und andere Auslagen den Betrag von EUR 3.106.85 zu bezahlen.
4. Dieser Entscheid wird in Ziff. 3. für die Antragstellerin mit der Maßgabe für vollstreckbar erklärt, dass lediglich 2589,04 EUR zu bezahlen sind.
IV. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
V. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
VI. Der Streitwert beträgt 175.000 EUR.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung inländischer Schiedssprüche des ICC-Schiedsgerichtshofs.
1. Die Schiedsklägerin - hier: die Antragsgegnerin - mit Sitz in Deutschland und die Schiedsbeklagte - hier: die Antragstellerin - mit Sitz in Österreich sind als Zulieferer für die Automobilindustrie tätig. Der zwischen den Parteien bestehende Kooperations- und Liefervertrag vom 4.12.2006/9.1.2007 enthält in Ziffer X eine Schiedsklausel, nach der alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Vertragsverhältnis abschließend durch ein Dreier-Schiedsgericht nach den Schiedsregeln des ICC entschieden werden sollen ("All disputes arising out of or in connection with the present contract shall be finally settled under the Rules of Arbitration of the International Chamber of Commerce by three arbitrators ..."). Abweichend von der ursprünglichen Schiedsklausel haben die Parteien als Schiedsort München vereinbart. In Ergänzung zur ICC-Schiedsgerichtsordnung (im Folgenden: SchO) vereinbart war zum Verfahren weiter (Anl. B 4, dort zu I. 2):
Sollten prozessuale Fragen in der SchO, im Schiedsauftrag oder in den Verfahrensregeln ungeregelt geblieben sein, wird sich das Gericht an die Zivilprozessordnung der Bundesrepublik Deutschland (ZPO) anlehnen.
a) Am 4.12.2009 reichte die Schiedsklägerin Klage wegen Verletzung des Kooperations- und Liefervertrags ein, mit der sie im Wesentlichen Schadensersatz von 32.220,01 EUR (zzgl. Zinsen) wegen nicht bezahlter Transportkosten, weitere 11.166,73 EUR (zzgl. Zinsen) wegen unberechtigter Rechnungsabzüge und die Bezahlung einer Konventionalstrafe (zusammengefasst 600.000 EUR) wegen Verstößen gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot und gegen die Geheimhaltungspflicht geltend machte.
Mit Endschiedsspruch vom 18.4.2011 verurteilte das Schiedsgericht die Beklagte in der Hauptsache zur Zahlung von 32.220,01 EUR (Schadensersatz) sowie weiterer 10.324,87 EUR (wegen unberechtigter Rechnungsabzüge). Die Klage im Übrigen wies es ab. Über die Kosten des Verfahrens entschied das Schiedsgericht im Wesentlichen mit folgender Begründung:
Die Kosten umfassten das Honorar und die Auslagen der Schiedsrichter sowie die Verwaltungskosten des ICC, die der Gerichtshof gemäß der bei Beginn des Schiedsverfahrens gültigen Kostentabelle festsetze, außerdem die angemessenen Aufwendungen der Parteien für ihre Vertretung und andere Auslagen im Zusammenhang mit dem Schiedsverfahren (Art. 31 Abs. 1 SchO). Der St...