Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsauslegung. Ersatzerbfolge bei Ausschlagung und Pflichtteilsverlangen der Nacherben. Ausschluss der Abkömmlinge des Ausschlagenden
Leitsatz (amtlich)
Sind durch letztwillige Verfügung die Kinder des Erblassers zu Nacherben und deren Abkömmlinge zu Ersatznacherben berufen, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Ersatzerbfolge nach dem tatsächlichen oder hypothetischen Willen des Erblassers auch für den Fall gelten soll, dass die Nacherben ausschlagen und den Pflichtteil verlangen. Im Zweifel sind die Abkömmlinge der Ausschlagenden von der Erbfolge ausgeschlossen.
Normenkette
BGB §§ 2069, 2096, 2142, 133, 2306 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 29.03.2006; Aktenzeichen 42 T 2324/05) |
AG Kaufbeuren (Aktenzeichen 10-VI 0158/94) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2)-4) gegen den Beschluss des LG Kempten vom 29.3.2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten zu 2)-4) haben die der Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Auf die Geschäftswertbeschwerde der Beteiligten zu 2)-4) wird der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 57.500 EUR festgesetzt; insoweit wird der Beschluss des LG Kempten vom 29.3.2006 abgeändert. Im Übrigen wird die Geschäftswertbeschwerde zurückgewiesen.
IV. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 57.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Erblasser ist am 27.4.1994 im Alter von 79 Jahren verstorben. Er war seit 1974 mit der Beteiligten zu 1) verheiratet; die Ehegatten hatten Gütertrennung vereinbart. Aus seiner ersten Ehe hatte der Erblasser zwei Söhne, die 1947 bzw. 1950 geboren sind. Die Beteiligten zu 2)-4) sind die Enkel des Erblassers.
Am 5.1.1994 haben die Ehegatten einen Erbvertrag geschlossen, der auszugsweise wie folgt lautet:
"3. Unser wesentliches Vermögen besteht aus dem von uns je zur Hälfte gehörenden Anwesens in R.; ich, der Ehemann, habe darüber hinaus weiteres Geldvermögen.
4.I.a) Sterbe ich, der Ehemann, als erster, so ist meine Ehefrau meine Vorerbin, die von keinerlei Beschränkungen befreit ist (unbefreite Vorerbin).
Nacherben sind meine Kinder aus erster Ehe, H.F. und G.F. je zur Hälfte, ersatzweise deren Abkömmlinge zu unter sich gleichen Teilen nach Stämmen, ersatzweise der Überlebende von beiden.
Der Nacherbfall tritt mit dem Tode der Vorerbin ein.
Im Übrigen gelten für diese Anordnung der Vor- und Nacherbschaft die gesetzlichen Bestimmungen.
Im Wege eines Vorausvermächtnisses bestimme ich, dass meine Ehefrau die gesamten zum Zeitpunkt meines Todes in meinem Eigentum stehenden beweglichen Gegenstände einschließlich des gesamten Geldes im weitesten Sinne (Bargeld, Bankguthaben, Sparguthaben, Aktien, Pfandbriefe, Forderungen u.a.) erhält.
b) Sterbe ich, der Ehemann, als letzter, so sind meine alleinigen und ausschließlichen Erben die oben genannten Nacherben bzw. Ersatznacherben je zur Hälfte.
II.a) Sterbe ich, die Ehefrau als erste, so ist mein alleiniger und ausschließlicher Erbe mein Ehemann.
b) Sterbe ich, die Ehefrau als letzte, so sind meine alleinigen und ausschließlichen Erben die Kinder meines Ehemannes H.F. und G.F. je zur Hälfte, ersatzweise deren Abkömmlinge zu unter sich gleichen Teilen nach Stämmen, ersatzweise der Überlebende von beiden.
Im Wege eines Vermächtnisses, bestimme ich jedoch, dass die Tochter meiner Schwester, B.C. folgende Gegenstände erhält: ...
5. Sollte ich die Ehefrau, die Überlebende sein, so bin ich berechtigt, die für den Fall meines Todes getroffene Vermächtnisanordnung zugunsten von Frau B.C. in jeder Weise aufzuheben oder abzuändern.
Sollte ich, der Ehemann, als letzter versterben, so bin ich ausdrücklich berechtigt, die Erbeinsetzung meiner Söhne in jeder Weise aufzuheben oder abzuändern.
Insoweit steht dem Überlebenden von uns jeweils ein Rücktrittsrecht von diesem Erbvertrag zu. Die anderen für den Fall unseres Todes getroffenen Bestimmungen dürfen jedoch in keiner Weise aufgehoben oder abgeändert werden.
6. Eine Anfechtung dieses Erbvertrages wegen Übergehens heute etwa unbekannter pflichtteilsberechtigter Personen schließen wir aus.
7. Über die wesentlichen erbrechtlichen Bestimmungen, insb. das Pflichtteilsrecht meiner, des Ehemannes, Kinder aus erster Ehe, wurden wir eingehend belehrt, ebenso über die Bindungswirkung dieses Erbvertrages."
Das Hausgrundstück in R. haben die Eheleute 1987 zum Preis von 450.000 DM erworben; die Beteiligte zu 1) hat ihren Hälfteanteil aus eigenen Mittel bezahlt. Das Nachlassgericht hat einen Verkehrswert für den Hälfteanteil des Erblassers von rund 234.000 DM errechnet. Darüber hinaus bestand der Nachlass im Wesentlichen aus Bankguthaben und Wertpapieren, deren Wert die Beteiligte zu 1) im Nachlassverzeichnis vom 28.6.1994 mit rund 470.000 DM angeben hat.
Die beiden Söhne des Erblassers haben jeweils mit notariell beglaubigter Urkunde vom 19.7.1995 die Nacherbschaft ausgeschlagen, die Beteiligte zu 1) hat ihnen den geforderten Pflichtteil i.H.v. jeweils 140.000 DM ausbe...