Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsgebühr bei schriftlichem Vergleich
Leitsatz (amtlich)
Bei einem schriftlichen Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO über rechtshängige Ansprüche fällt eine Terminsgebühr gem. RVG-VV Nr. 3104 Anm. Abs. 1 Nr. 1 letzte Alternative an.
Normenkette
RVG-VV Nr. 3104 Anm. Abs. 1 Nr. 1 letzte Alternative
Verfahrensgang
LG Augsburg (Aktenzeichen 1 O 6008/04) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Beschwerdewert beträgt 1.347,60 EUR.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Beklagte wendet sich dagegen, dass aufgrund eines schriftlichen Vergleichs eine Terminsgebühr anerkannt wurde.
Ohne dass eine mündliche Verhandlung oder Vermeidungs- oder Beendigungsgespräche zwischen den Parteien oder deren Verfahrensbevollmächtigten stattgefunden hätten, schlug das Gericht gem. § 278 Abs. 6 ZPO einen Vergleich vor, mit dem sich die Parteien einverstanden erklärten. Daraufhin stellte das Gericht mit Beschluss vom 2.8.2005 das Zustandekommen des Vergleichs hinsichtlich des streitgegenständlichen Anspruchs gem. § 278 Abs. 6 ZPO fest.
II. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Der Klägervertreter hat eine Terminsgebühr verdient, die auch zu erstatten ist.
Es sind sämtliche Voraussetzungen von RVG-VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 gegeben. Es wurde ein schriftlicher Vergleich geschlossen. Weitere Voraussetzung ist, dass der schriftliche Vergleich in einem Verfahren geschlossen wird, für das mündliche Verhandlung vorgesehen ist. In dem vorliegenden Prozess (Forderungsklage zum LG über 62.992,60 EUR) konnte ein Urteil nur nach mündlicher Verhandlung ergehen.
Allerdings hat das OLG Nürnberg (OLG Nürnberg v. 15.12.2004 - 3 W 4006/04, OLGReport Nürnberg 2005, 179 = MDR 2005, 599 = JurBüro 2005, 249) entschieden, dass im Fall des Abschlusses eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO ohne mündliche Verhandlung keine Terminsgebühr anfällt, "soweit es sich nicht um Verfahren handelt, die nach § 128 Abs. 2 oder § 495a ZPO keine mündliche Verhandlung erfordern". Der Senat versteht diese Entscheidung dahingehend, dass für einen schriftlichen Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO eine Terminsgebühr nur dann anfallen kann, wenn das Einverständnis der Parteien mit schriftlicher Entscheidung vorher erteilt worden ist bzw. ein Fall des § 495a ZPO vorliegt. Der BGH hat seine Entscheidung, dass ein schriftlicher Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO keine Verhandlungsgebühr gem. § 35 BRAGO auslöst, u.a. damit begründet, dass auch nach dem RVG keine Terminsgebühr anfalle (BGH v. 30.3.2004 - VI ZB 81/03, BGHReport 2004, 1131 = BGHReport 2004, 524 = MDR 2004, 965 = NJW 2004, 2311 = AnwBI. 2004, 593 = AGS 2004, 231). Auf Gegenvorstellung hin hat der BGH darauf hingewiesen, dass diese Argumentation nicht ausschlaggebend war für seine Entscheidung. Darüber hinaus hat er, ohne sich festzulegen, geäußert, dass der Wortlaut des RVG-VV Nr. 3104 es nahe lege, dass die erste Alternative des Verfahrens nach § 128 Abs. 2 und nicht 278 Abs. 6 ZPO gemeint sei (BGH RVG-Letter 2004, 100). Neben dem Wortlaut wird vom OLG Nürnberg noch als Argument angeführt, dass es dem Interesse der Parteien entspreche, die Kosten eines Rechtsstreits so gering wie möglich zu halten. Darüber hinaus sei der Arbeits- und Zeitaufwand für den Rechtsanwalt bei einem gerichtlichen Termin wesentlich höher als bei einem schriftlichen Vergleichsabschluss (OLG Nürnberg v. 15.12.2004 - 3 W 4006/04, OLGReport Nürnberg 2005, 179 = MDR 2005, 599 = JurBüro 2005, 249).
Dem ist mit der ganz herrschenden Meinung in der Literatur nicht zu folgen (Mayer/Kroiß, RVG, W 3104 Rz. 22; Riedel/Sußbauer/Keller, RVG, 9. Aufl., VV Teil 3 Abschnitt 1 Rz. 51 S. 552; Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, Teil 7, Rz. 348; Gebauer/Schneider-Wahlen, RVG, 2. Aufl., VV 3104 Rz. 7, 31; Bischof/Jungbauer/Podlech-Trappmann, S. 543 Ziff. 2.2.1.1; Göttlich/Mümmler/Reberg/Sanke, "Terminsgebühr des Teil 3", 4.3.2; 6.7; Hänke, Anwaltsblatt 2004, 593; N. Schneider, AGS 2004, 232 [233]; zweifelnd Enders, RVG für Anfänger, 12. Aufl., Rz. 925).
Es ist der Gegenmeinung zwar einzuräumen, dass man, wenn man unbedingt will, den Wortlaut der Bestimmung in ihrem Sinn auslegen kann. Nahe liegend ist diese Auslegung aber nicht. Im Gegenteil spricht der Wortlaut ganz stark für die hier vertretene Auffassung. In Ziff. 1 ist nur von einem Verfahren die Rede, nämlich dem Verfahren, das eine mündliche Verhandlung voraussetzt. Was dann folgt, sind 3 Verhaltensweisen der Parteien (Einverständnis) beziehungsweise des Gerichts (bestimmte Entscheidungen), aber kein Verfahren. Also bedeutet "in einem solchen Verfahren" in einem Verfahren, das für ein Urteil eine mündliche Verhandlung vorschreibt.
Gegen die entgegengesetzte Auslegung spricht vor allem aber, dass sie keinen Sinn gibt. Warum sollte es bei einem Vergleich darauf ankommen, ob die Parteien vorher einer schriftlichen Entscheidung zugestimmt haben? Das gilt umso mehr, als der Ve...