Leitsatz (amtlich)
Ein formwirksames Testament kann auch dadurch hergestellt werden, dass der Testierende die Fotokopie eines von ihm eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testaments eigenhändig ändert, wenn der im vorhandenen Original und auf dessen Kopie niedergelegte Text ein einheitliches Ganzes bildet. Unter dieser Voraussetzung können auch Änderungen in Form von eigenhändigen Durchstreichungen des fotokopierten Textes Teil eines formwirksamen Testaments sein.
Normenkette
BGB § 2247
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 05.07.2005; Aktenzeichen 6 T 5222/03) |
AG Miesbach (Aktenzeichen VI 0823/02) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des LG München II vom 5.7.2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 1) hat die den Beteiligten zu 2) bis 4) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 1.097.114 EUR festgesetzt.
Gründe
Die geschiedene Erblasserin ist im Alter von 76 Jahren kinderlos verstorben. Ihre noch lebenden leiblichen Verwandten sind die Beteiligten zu 2) bis 4), die Kinder zweier Onkel mütterlicherseits. Der Beteiligte zu 1) ist ein langjähriger Bekannter der Erblasserin.
Die Erblasserin hat am 9.9.2002 ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament errichtet, in dem sie den Beteiligten zu 1) als Testamentsvollstrecker und Haupterben (zu 55 %) neben einem weiteren Erben M. K. (zu 45 %) einsetzte. Dieses Testament ergänzte sie durch das Testament vom 12.9.2002.
Am 18.9.2002 errichtete die Erblasserin ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes dreiseitiges Testament, in dem sie den Beteiligten zu 1) zum Alleinerben und zum Testamentsvollstrecker für die anschließend aufgeführten zwei Vermächtnisse einsetzte.
Das Originaltestament vom 18.9.2002 (DIN A 5-Format) übergab die Erblasserin dem Beteiligten zu 1) zur Aufbewahrung, nachdem sie zuvor Kopien angefertigt hatte, die sie bei sich aufbewahrte. Auf einer Kopie des Testaments vom 18.9.2002 (gefaltetes DIN A 4-Format) brachte die Erblasserin mit blauem Kugelschreiber verschiedene Änderungen und Ergänzungen an, die nachfolgend auszugsweise wiedergegeben werden.
So ergänzte sie die Überschrift "Testament" auf S. 1 wie folgt:
"Am 6.10.2002 (Testament)sänderung."
Die in den nachfolgenden Absätzen erfolgte Einsetzung des Beteiligten zu 1) zum Alleinerben und Testamentsvollstrecker ist mit blauem Kugelschreiber durchgestrichen.
Die S. 2 bis 8 wurden von der Erblasserin jeweils mit den Überschriften versehen "-Testamentsänderung vom 9.10.2002". Die S. 2 bis 5 blieben leer. Auf S. 6 (Kopie von S. 2 des Originaltestaments) strich die Erblasserin die Einsetzung des Beteiligten zu 1) zum Vermögensverwalter durch. Auf S. 7 (Kopie von S. 3 des Originaltestaments) änderte sie den Originalwortlaut durch Ergänzung und Durchstreichung dahin, dass es statt " Es ist auch das gemeinsame Anliegen vom Erblasser und Erben (den Einödhof zu bewahren)" heißt: "Es weiterhin das Anliegen vom Erblasser ist ..."
Auf S. 7 und 8 folgen handschriftliche Ergänzungen, die eine Bestätigung des Geschriebenen, Ortsangabe, Datum und erneute Unterschrift sowie die Absicht einer weiteren Bestätigung und eine Datumskorrektur (5. statt 9.10.2002) enthalten.
Am 6.10.2002 errichtete die Erblasserin ein eigenhändig geschriebenes, nicht unterschriebenes Patiententestament, in dem sie auf S. 2 schrieb:
"Eine völlig unerwartete unheilbare schwere Krebsgeschwür-Operation zwang mich zur Änderung meines persönlichen letzten Willens, also meines Testaments. ... Das bedeutet, dass ich selbst, schon in Schmerzbehandlung im Sinne der Hospizbewegung mein Vermögen ganz dort einbringen werde, nicht nur als meinen letzten Weg sondern als Mitglied oder Ausbau- oder Spender-Erblasser. Und zwar sofort, nachdem ich ein schon laufendes Hospiz gefunden habe. ..."
Es liegen widersprechende Erbscheinsanträge des Beteiligten zu 1) und der Beteiligten zu 2) bis 4 vor. Der Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, das Testament vom 5.10.2002 entfalte keine Rechtswirkungen, die Erblasserin hätte bei dessen Abfassung keinen Testierwillen gehabt sondern nur einen Entwurf fertigen wollen, ferner sei die Testamentsform nicht eingehalten. Er beantragte die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe aufgrund des Testaments vom 18.9.2002.
Die Beteiligten zu 2)-4) beantragten einen gemeinschaftlichen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge zugunsten des Beteiligten zu 2) zu ½ und der Beteiligten zu 3) und 4) zu je ¼. Sie sind der Ansicht, dass es sich bei dem Testament vom 5.10.2002 um ein wirksames Widerrufstestament handele, das dem Erblasserwillen entspricht.
Mit Beschl. v. 25.7.2003 erließ das AG einen Vorbescheid, in dem es die Erteilung eines Alleinerbscheins zugunsten des Beteiligten zu 1) ankündigte. Zur Begründung ist ausgeführt, dass das Testament vom 5.10.2002 die Voraussetzungen für ein wirksames Widerrufstestament nicht erfülle, da die Veränderung lediglich auf einer...